Thomas Reid (* 26. April 1710 in Strachan, Kincardineshire, Schottland; † 7. Oktober 1796 in Glasgow, Schottland) war ein schottischer Philosoph und Zeitgenosse David Humes. Er gilt als der Begründer der schottischen Schule der Common-Sense-Philosophie und spielte eine wichtige Rolle in der (schottischen) Aufklärung.
Mehr über Thomas Reid bei Wikipedia
Für Thomas Reid war eine feste Überzeugung kein Argument für die Existenz der Dinge.
Ich kann nicht beweisen, dass zwei Quantitäten, die gleich einer dritten Quantität sind, auch untereinander gleich sind, so wie ich nicht beweisen kann, dass der Baum, den ich wahrnehme, existiert … Alle Schlüsse gründen sich auf Prinzipien. Die ersten Prinzipien mathematischen Denkens sind die Axiome und Definitionen; und die ersten Prinzipien jeglicher Gedanken über die Existenz einer Sache sind unsere Wahrnehmungen.
(S. 116)
Ich denke es ist evident, dass wir nicht durch Schlüsse aus unseren Empfindungen die Existenz von Körpern überhaupt und noch viel weniger irgendeine ihrer Qualitäten herleiten können. Dies wurde durch unzweifelhafte Argumente [von George Berkeley und David Hume] bewiesen … Infolgedessen müssen wir nach allen Regeln vernünftigen Denkens schliessen, dass diese Verbindung das Ergebnis unserer Konstitution ist und als ursprüngliches Prinzip der menschlichen Natur angesehen werden muss, bis wir ein allgemeineres Prinzip finden
(S. 125f.)
Die Skepsis sagt uns, dass die Sinne auch täuschen können und wir deshalb an die Existenz der Dinge nicht glauben dürfen.
Könnten wir uns nicht dauerhaft täuschen? Theoretisch ja, praktisch wohl nicht.
Ich glaubte für einen grossen Teil meines Lebens blindlings an die Informationen, die ich durch meine Sinne von der Natur erhielt, bevor ich soviel Erkenntnistheorie (logic) gelernt hatte, die es mir erlaubte, einen Zweifel gegen sie zu hegen. Und jetzt … glaube ich nicht, von diesem Glauben betrogen worden zu sein.
(S. 113)
Thomas Reid hielt den Glauben, dass die Dinge unabhängig von uns existieren, für vernünftig.
Wahrnehmung, so wie wir ihren Begriff hier verstehen, hat immer einen von dem Bewusstseinsakt, durch welchen diese Sache wahrgenommen wird, verschiedenen Gegenstand, einen Gegenstand, der unabhängig davon existieren kann, ob er wahrgenommen wird oder nicht.
(S. 111)
[Härte und Weichheit] sind weder Empfindungen noch Empfindungen ähnlich. Sie waren wirkliche Qualitäten, bevor sie durch Berührung wahrgenommen wurden, und bleiben es, auch wenn sie nicht wahrgenommen werden. Wenn also irgendjemand die Behauptung aufstellt, dass Diamanten nicht hart sind, bevor sie angefasst werden, wer würde ihm zustimmen?
(S. 118)
Wir nehmen sie in ihrer Gestalt, Farbe, Bewegung und Position im Raum als Symbol wahr.
[Es scheint] evident, dass es natürliche [z.B. die Tastempfindung „Härte“] wie auch künstliche Zeichen [z.B. den Begriff „Gold“] gibt
(S. 123)
Eine … Klasse dieser natürlichen Zeichen ist diejenige, bei der die Verbindung zwischen dem Zeichen und dem bezeichneten Ding nicht allein von der Natur festgesetzt, sondern uns durch ein natürliches Prinzip ohne Vernunftschlüsse oder Erfahrung offenbart wird [z.B. Das Erkennen einer Melodie].
(S. 124)
Diese Art zu sehen ist uns teilweise angeboren, genauso wie die feste Überzeugung, dass es das gibt, was wir sehen.
Ich weiss …, dass die Wahrnehmung eines Gegenstandes sowohl eine Vorstellung von dessen Form und einen Glauben an dessen gegenwärtige Existenz voraussetzt. Ich weiss ausserdem, dass diese Überzeugung nicht das Ergebnis von Argumentation und logischem Denken, sondern die unmittelbare Wirkung meiner Konstitution ist.
(S. 111)
Unsere Wahrnehmungen sind von zweierlei Art: Einige sind natürlich und angeboren, andere werden erworben und sind die Frucht der Erfahrung. Wenn ich wahrnehme, dass dieses … der Geruch von einem Apfel und jenes der einer Orange … ist, so sind diese und andere Wahrnehmungen nicht angeboren – sie sind erworben. Aber die Wahrnehmung, die ich von … Ausdehnung, Gestalt und Bewegung [eines Körpers] habe, ist nicht erworben – sie ist ursprünglich.
(S. 115)
Unterstellt sei, dass wir die Vorstellung von Härte haben: Doch wie kommen wir zu dem Glauben an sie? Kann man sagen, dass es durch den Vergleich von Ideen offenkundig wird, dass eine Empfindung nicht gefühlt werden kann, wenn nicht zuvor solch eine Qualität der Körper existiert? Nein. Kann sie durch glaubhafte und sichere Argumente bewiesen werden? Nein, kann sie nicht. Haben wir dann diesen Glauben durch Überlieferung, Erziehung oder durch Erfahrung erhalten? Nein … Sollten wir dann diesen Glauben als etwas verwerfen, das nicht durch die Vernunft begründbar ist? Leider steht dies nicht in unserer Macht … Mir bleibt nichts anderes übrig als zu folgern, … dass diese Empfindung ein natürliches Zeichen für Härte ist.
(S. 121f.)
Überlegung
- Das führt aber wieder zu der Schwierigkeit, dass Symbolen die Unmittelbarkeit und Unwillkürlichkeit der Sinneserfahrung abgeht.
- Sie sind geistige Abstraktionen und können deshalb nicht die unbegrenzte Vielfalt des Sehens erklären.
Literatur
Ben-Zeev, Aaron, 1986. „Reid’s Direct Approach to Perception“, Studies in History and Philosophy of Science 17: 99-114.
Benbaji, Hagit, 2000, “Reid’s View of Aesthetic and Secondary Qualities”, Reid Studies 3: 31–46.
Bourdillon, Philip, 1975, “Thomas Reid’s Account of Sensation as a Natural Principle of Belief”, Philosophical Studies 27: 19–36.
Brody, Baruch A., 1971. „Reid and Hamilton on Perception“, Monist 55: 423-441.
Castagnetto, Susan, 1992. “Reid’s Answer to Abstract Ideas”, Journal of Philosophical Research 17: 39–60.
Cummins, Phillip D., 1974. “Reid’s Realism”, Journal of the History of Philosophy 12: 317–340.
Daniels, Norman, 1974. Thomas Reid’s Inquiry: The Geometry of Visibles and the Case for Realism, New York: Burt Franklin.
De Bary, Philip, 2002. Thomas Reid and Scepticism: His Reliabilist Response, London: Routledge.
De Rose, Keith, 1989. “Reid’s Anti-Sensationalism and His Realism,” Philosophical Review 98: 313–348.
Duggan, Timothy J., 1960. “Thomas Reid’s Theory Of Sensation”, Philosophical Review 69: 90–100.
Ellos, William J., 1983. „Thomas Reid’s Analysis of Sensation“, New Scholasticism 57: 107-114.
Falkenstein, Lorne, and Grandi, Giovanni B., 2003. “The Role of Material Impressions in Reid’s Theory of Vision: A Critique of Gideon Yaffe’s ‚Reid on the Perception of the Visible Figure’”, Journal of Scottish Philosophy 1 (2): 117–133.
Gallie, Roger, 1997. “Reid: Conception, Representation and Innate Ideas”, Hume Studies 23 (2): 315–335.
Gracyk, T., 1987. “The Failure of Thomas Reid’s Aesthetics,” Monist 70: 465–482.
Nichols, Ryan, 2007. Thomas Reid’s Theory of Perception, Oxford: Oxford University Press.
Jensen, Andreas Bahne, 1941. Gestaltanalytische Untersuchungen zur Erkenntnislehre Thomas Reids, Kiel: Dissertation.
Lehrer, Keith, 1991. Thomas Reid, London und New York: Routledge, besonders S. 52-80.
Lehrer, Keith, 1989. “Conception Without Representation, Justification Without Inference: Reid’s Theory”, Nous 23: 145–154.
Madden, Edward H., 1986. “Was Reid a Natural Realist?”, Philosophy and Phenomenological Research 47: 255–276.
Nadler, Steven M., 1986. “Reid, Arnauld, and the Objects of Perception”, History of Philosophy Quarterly 3: 165–174.
Nichols, Ryan, 2002. “Reid on Fictional Objects and the Way of Ideas”, The Philosophical Quarterly 52: 582–601.
Pape, Helmut, 1997. Die Unsichtbarkeit der Welt, Frankfurt a. Main: Suhrkamp, bes. Kap.4.
Pappas, George S., 1989. “Sensation and Perception in Reid,” Nous 23: 155–167.
Pappas, George S., 1990. “Causation and Perception in Reid”, Philosophy 50 (4): 763–766.
Silver, Bruce, 1974. „A Note on Berkeley’s New Theory of Vision and Thomas Reid’s Distinction between Primary and Secondary Qualities“, Southern Journal of Philosophy 12: 253-263.
Smith, J. C., 1986. „Reid’s Functional Explanation of Sensation“, History of Philosophy Quarterly 3: 175-194.
Yaffe, Gideon, 2002-2003. “Reid on the Perception of Visible Figure”, The Journal of Scottish Philosophy 1 (2): 103–115.
Yolton, John W., 1984. Perceptual Acquaintance from Descartes to Reid, Minneapolis: University of Minnesota Press.
Textstellen zitiert nach: Wiesing, Lambert (Hg.), 2015. Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Soweit nicht anders angegeben beziehen sich alle Seitenangaben auf diese Ausgabe.
Biographische Information aus der deutschen Wikipedia.
Literatur aus Wiesing, 2015, sowie aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy.