Hermann Ludwig Ferdinand (seit 1883 von) Helmholtz (* 31. August 1821 in Potsdam; † 8. September 1894 in Berlin-Charlottenburg) war ein deutscher Physiologe und Physiker. Im Sinne moderner Wissenschaft schuf er wichtige Beiträge auf den Gebieten der Optik, Akustik, Elektro-, Thermo- und Hydrodynamik.[1] Als Universalgelehrter war er einer der vielseitigsten Naturwissenschaftler seiner Zeit und wurde auch Reichskanzler der Physik genannt.
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Hermann von Helmholtz war ein deutscher Physiologe, der sich intensiv mit dem Problem des Sehens beschäftigt hat.
Als Naturwissenschaftler ging er selbstverständlich von einer unabhängigen Existenz der Dinge aus.
Unsere Empfindungen sind … Wirkungen, welche durch äussere Ursachen in unseren Organen hervorgebracht werden, und wie eine solche Wirkung sich äussert, hängt natürlich ganz wesentlich von der Art des Apparates ab, auf den gewirkt wird.
(S. 168)
Wenn also unsere Sinnesempfindungen in ihrer Qualität auch nur Zeichen sind, … so sind sie doch … eben Zeichen von Etwas, sei es etwas Bestehendem oder Geschehendem, und … das Gesetz dieses Geschehens können sie uns abbilden.
(S. 168)
Als Philosoph glaubte er, dass beim Sehen aus primären Qualitäten (Farben, Formen) Zeichen gebildet werden.
Kant aber ging weiter. Nicht nur die Qualitäten der Sinnesempfindungen sprach er an, als gegeben durch Eigentümlichkeiten unseres Anschauungsvermögens, sondern auch Zeit und Raum … Auch die räumlichen Bestimmungen also betrachtet Kant als ebensowenig der Welt des Wirklichen oder „dem Ding an sich“ angehörig, wie die Farben … Selbst hier wird die naturwissenschaftliche Betrachtung bis zu einer gewissen Grenze mitgehen können.
(S. 168f.)
Das Zeichen war für ihn, anders als für Descartes, reines Symbol, ohne jede Ähnlichkeit mit dem Gegenstand der Wahrnehmung.
Insofern die Qualität unserer Empfindung uns von der Eigentümlichkeit der äusseren Einwirkung, durch welche sie erregt ist, eine Nachricht gibt, kann sie als ein Zeichen derselben gelten, aber nicht als ein Abbild. Denn vom Bilde verlangt man irgendeine Art der Gleichheit mit dem abgebildeten Gegenstande, … von einer Zeichnung Gleichheit der perspektivischen Projektion im Gesichtsfelde … Ein Zeichen aber braucht gar keine Art der Ähnlichkeit mit dem zu haben, dessen Zeichen es ist. Die Beziehung zwischen beiden beschränkt sich darauf, dass das gleiche Objekt, unter gleichen Umständen zur Einwirkung kommend, das gleiche Zeichen hervorruft
(S. 168)
Die Erkenntnis von regelmäßiger Folge stellte für ihn den Übergang von Wahrnehmung zu Erkenntnis dar.
[Mit diesem] Rest von Ähnlichkeit, den wir anerkennen, … kann noch eine Sache von der allergrössten Tragweite geleistet werden, nämlich die Abbildung der Gesetzmäßigkeit in den Vorgängen der wirklichen Welt. Jedes Naturgesetz sagt aus, dass auf Vorbedingungen, die in gewisser Beziehung gleich sind, immer Folgen eintreten, die in gewisser anderer Beziehung gleich sind. Da Gleiches in unserer Empfindungswelt durch gleiche Zeichen angezeigt wird, so wird der naturgesetzlichen Folge gleicher Wirkungen auf gleiche Ursachen auch eine ebenso regelmäßige Folge im Gebiete unserer Empfindungen entsprechen.
(S. 168)
Überlegung
- Aber Unmittelbarkeit und Unwillkürlichkeit des Sehens scheinen zur Abstraktheit eines Zeichenskaum zu passen.
- Die These, dass „Ähnlichkeit“ die Abgrenzung von Wahrnehmung und Erkenntnis sei, ist von einem unendlichen Regress bedroht.
Literatur
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Textstellen zitiert nach: Wiesing, Lambert (Hg.), 2015. Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Biographische Information aus der deutschen Wikipedia.
Literatur aus Wiesing, 2015, sowie aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy.