René Descartes (* 31. März 1596 in La Haye en Touraine; † 11. Februar 1650 in Stockholm) war ein französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler.
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Vor fast 400 Jahren Ideen dachte Descartes, über das Sehen nach.

Er verglich das menschliche Auge mit einer Camera obscura. Aber das, so meinte er, sei eigentlich kein philosophisches Problem.
Irgendjemand hat es bereits mit folgendem Vergleich sehr sinnvoll erklärt: Ein Mensch befinde sich in einem völlig verschlossenen Zimmer, das nur ein einziges Loch besitzt, vor das eine gläserne Linse angebracht wird. In einem gewissen Abstand davon spannt man ein weisses Tuch aus, auf dem das Licht, das von den äusseren Gegenständen ausgeht, die Bilder hervorbringt.
(S. 68)
Man [darf] sich doch … die Sache nicht so vorstellen, … als ob es noch andere Augen in unserem Gehirn gäbe, durch die wir [die auf das Tuch projizierten Bilder] wahrnehmen könnten.
(S. 69)
Wir betrachten zuerst Licht und Farbe, die allein im eigentlichen Sinne zum Gesichtssinn gehören.
(S. 69)
Die philosophische Frage sei vielmehr, ob das, was wir sehen, ein Abbild des Gesehenen ist. Diese These verwarf er, weil die Dinge der Welt keine Ähnlichkeit haben mit den Inhalten unseres Geistes.
Es schien den Philosophen, dass wir die Gegenstände, die auf unsere Sinne wirken, durch kleine Bilder, die sich in unserem Kopfe formen, in uns aufnehmen. Statt dessen müssen wir beachten, dass es noch andere Dinge als Bilder gibt, die unser Denken anregen können, zum Beispiel die Zeichen und die Worte, die in keiner Weise den Dingen gleichen, die sie bezeichnen.
(S. 67)
Betrachten Sie zum Beispiel einen Kupferstich. Er ist dadurch entstanden, dass man hier und da ein wenig Tusche auf Papier gebracht hat, und doch zeigt er uns Wälder, Städte, Menschen, ja sogar Schlachten und Geschütze. Obgleich eine Unzahl verschiedener Einzelheiten uns die Gegenstände erkennen lassen, gibt es doch keine einzige Gestalt, der sie völlig gleichen. Und das ist auch noch eine sehr unvollkommene Ähnlichkeit, wenn man berücksichtigt, dass diese Stiche … nach den Regeln der Perspektive Kreise besser durch Ovale als wieder durch Kreise … wiedergeben … So dürfen oft Bilder, um in ihrer Eigenschaft als Bilder vollkommen zu sein und die Gegenstände besser darzustellen, diesen häufig gerade nicht gleichen. Dasselbe müssen wir von den Bildern annehmen, die sich in unserem Gehirn bilden.
(S. 67)
Obgleich gemeinhin ein jeder wähnt, dass die Ideen, die wir in unserem Denken besitzen, ganz und gar den Gegenständen entsprechen, von denen sie herrühren, sehe ich gleichwohl keinen Grund, der uns dessen wirklich versicherte
(S. 71)
Er glaubte, dass es sich beim Sehen um einen angeborenen Prozess handelt, bei dem der Geist Symbole bildet.
Wenn folglich die Wörter, die nur durch die Übereinkunft der Menschen etwas bedeuten, genügen, um uns die Dinge erfassen zu lassen, mit denen sie doch keine Ähnlichkeit besitzen: Warum könnte die Natur nicht ebenfalls ein bestimmtes Zeichen eingerichtet haben, das uns die Empfindung des Lichtes haben lässt, obgleich dieses Zeichen nichts an sich hat, was dieser Empfindung ähnlich ist?
(S. 71)
Descartes’ Symbolbegriff war also komplex und umfasste auch die Regeln der Perspektive.
Überlegung
- Aber wenn wir sehen, dann haben wir ja nicht das Gefühl, Symbole zu sehen.
- Symbolen fehlt doch genau die Unmittelbarkeit und Unwillkürlichkeit, die unser Sehen ausmacht.
Literatur
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Russell, Bertrand, 1914. Our Knowledge of the External World as a Field for Scientific Method in Philosophy, Chicago: Open Court.
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Wiesing, Lambert. 2000. „Vom cogito zum video. Die bewußtseinstheoretische Bedeutung des Sehens nach René Descartes“, in Phänomene im Bild, Lambert Wiesing, München: Fink Verlag, 79-97.
Wolf-Devine, Celia, 1993. Descartes on Seeing: Epistemology and Visual Perception, Carbondale: Southern Illinois University Press.
Yolton, John W, 1984. Perceptual Acquaintance from Descartes to Reid, Minneapolis: University of Minnesota Press.
Textstellen zitiert nach: Wiesing, Lambert (Hg.), 2015. Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Literatur aus Wiesing, 2015, sowie aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy.