Die Künstler von Deià / Maler / Mati Klarwein
Als Mati Klarwein in der Nacht vom 07. März 2002 starb hinterließ er ein umfangreiches Werk von etwa 550 Gemälden, 120 „Improved Paintings“, sowie Zeichnungen, Skizzenbücher, Texte und einige Videos. Seine Bilder dienten als Grundlage von 40 LP-Covern von so bekannten Musikern wie Santana, Miles Davis und Buddy Miles.
Mati war ein äußerst disziplinierter und produktiver Maler, der, wie sein Sohn Salvador berichtete, in der Regel jeden Tag der Woche acht bis neun Stunden an der Staffelei saß. Um nicht zu ermüden arbeitete er parallel an zwei oder drei Bildern und hörte dabei lateinamerikanische oder afrikanische Musik in voller Lautstärke.
Da Mati bis zu seinem Tod tätig war, umfasst seine Schaffensperiode mindestens 55 Jahre, wobei die Zeit von etwa 1950 bis 2002 dokumentiert ist.
Sein umfangreiches Lebenswerk lässt sich in verschiedene Genres und Entwicklungsperioden einteilen. Es besteht in der Hauptsache aus Portraits, psychedelischen Landschaften („Mindscapes“) und „Improved Paintings“. Zudem schuf er, gerade in den frühen Jahren, einige Stilleben und Interieurs.
Portraits
Die Anfertigung von Auftragsportraits war eine wichtige wirtschaftliche Grundlage für den Maler. Da er persönlich nicht besonders anspruchsvoll war und, bis auf seine vielen Reisen, kein aufwändiges Leben führte, reichten ihm einige solcher Aufträge pro Jahr zum Überleben.

Neben Auftragsportrais malte er auch Portraits auf eigene Initiative, wenn ihn eine Person beeindruckte, wobei er häufig nach Fotos arbeitete.


Portraits nach Fotos haben oft etwas Statisches und einige, wie die von John F. Kennedy (1964), gehören sicher zu seinen schwächeren Werken. Erst die Bilder, bei denen ihm das Modell gesessen hat, zeigen seine Meisterschaft ganz, so etwa das Portrait von Marita March (1963), der Enkelin des mallorquinischen Bankiers Juan March.
Im Lauf seiner Entwicklung ging Mati zunehmend von einer Darstellung mit kleinem, funktionslosem Hintergrund (Elsa Klarwein, 1958, links) über zu einer Vergrößerung des Hintergrundes, der zunächst mit Blumen oder expressiven Farbflächen (Donyale Luna, 1967, Mitte) und später dann mit psychedelischen Landschaften (Peter und Nancy Huang, 1975, rechts) gefüllt wurde.
Besonders innovativ und typisch ist ist „Daily Miracle“ von 1998, ein Portrait des Fotografen Jean-Baptiste Modino. Es gehört zum Spätwerk und zeigt beispielhaft die holistische Sicht des Künstlers.
Viele Maler haben den Menschen als Teil der Natur gesehen. Deshalb haben sie ihn intuitiv isoliert, wenn sie ihn portraitierten. Sie wollten das Besondere zeigen, nicht das Allgemeine. Mati hat diese Sichtweise invertiert: Nicht der Mensch ist Teil der Natur, sondern die Natur ist Teil des Menschen. Mit der umgebenden Natur zeigt Mati mehr vom unsagbaren Selbst der Person als er mit den genauen Linien des Gesichts zeigen könnte. In kaum einem Werk wird das deutlicher als in „Daily Miracle“.
Mindscapes
Die Landschaft, ganz besonders die Landschaft von Deià, spielt für das Werk Mati Klarweins eine wichtige Rolle. Es ist bemerkenswert, dass weder Paris, noch die Cote d’Azur und auch nicht New York nennenswert in seinen Bildern repräsentiert sind, obwohl er dort wichtige Phasen seines Lebens verbrachte. New York etwa betrachtete er in den Jahren von 1967 bis 1983 als seinen Hauptwohnsitz.


Die Landschaft von Deià wurde sehr schnell zum Thema nachdem er den Ort im Jahr 1953 entdeckt und zu seiner spirituellen Heimat gemacht hatte. Die unbewegliche Ruhe der gewaltigen Natur mit ihren Felsen und Bäumen, und die unendliche Weite von Himmel und Meer ließen ihn nie wieder los. Er begann eher konventionell mit der „Cala Deya I“ (1955) und entwickelte gerade an Steinen und Felsen seinen hyperrealistischen Stil, der in der „Annunciation“ 1961 einen ersten Höhepunkt erreichte.

Auch während der psychedelischen Perioden kam er immer wieder auf diese Landschaft zurück („Landscape Perceived / Landscape Described“, 1963, und „Moses and Aaron“, 1971).

Nach dem Ende seiner zweiten psychedelischen Periode spielte dann ab Mitte der siebziger Jahre die Landschaft die Hauptrolle. „Real Estate“, eigentlich der Titel eines seiner Bilder, taugt als Bezeichnung der gesamten Schaffensperiode spätestens ab 1975 bis zum Beginn seines Spätwerks etwa im Jahr 1988.

Mati hat sowohl mit Menschen dicht bevölkerte („Flight to Egypt“, 1959 – 61) als auch völlig menschenleere („Wet Curve“, 1981) Landschaften gemalt. Einige seiner Portraits sind kaum als solche erkennbar, weil die dargestellte Person in einer übermächtigen Landschaft fast untergeht („Daily Miracle“, 1998).

Sofern es nicht eindeutig Portraits sind, werden seine Bilder auch „Mindscapes“ (etwa „Landschaften des Bewusstseins“) genannt, die mehr sind als naturalistische Widergaben dessen, was vor der Haustür liegt. Insbesondere in der Real-Estate-Periode wurde Landschaft zum magisch aufgeladenen Symbol einer Natur, die nicht länger Außenwelt ist, sondern geheimnisvoll verbunden mit dem Menschen und dessen unablösbarer Teil. Matis Kunst öffnete gerade in den Landschaftbildern die Pforten der Wahrnehmung und zeigte die wahre Natur des Menschen. Seine Landschaften sind seltsam vertraut, obwohl wir sie niemals vorher so gesehen haben.
Improved Paintings
Vermutlich ist „Frame of Reference aka. Retrato Oficial, Pancho Villa“ (1979) das erste „Improved Painting“, das Mati Klarwein schuf. Die Idee bestand darin, auf Flohmärkten Bilder anderer Maler für unter 10 Dollar zu kaufen und diese dann durch Bemalung zu „verbessern“.
Ab Ende der achtziger Jahre stellte der Künstler zunehmend mehr dieser Werke her, am Ende waren es ungefähr 120.
Das Konzept war nicht neu. Es geht zurück auf die „Improved Readymades“, die der französische Künstler Marcel Duchamp anfang des zwanzigsten Jahrhunderts vorstellte. Das berühmteste Werk dieses Genres ist sicherlich „L.H.O.O.Q.“, hier links im Vergleich zu Matis „Scholar aka. A-A-African Music“ von 1989 (rechts).
Duchamp hatte 1919 einen billigen Kunstdruck der „Mona Lisa“ gekauft und ihr einen Schnurbart ins Gesicht gezeichnet. Der Titel bedeutet lautmalerisch „Elle a chaud au cul“ – „Ihr ist heiß am Arsch“.
In einem Infoblatt zu einer Ausstellung seiner „Improved Paintings“ hat Mati ausdrücklich auf „L.H.O.O.Q.“ Bezug genommen.
Dieses Genre kam ihm sehr entgegen, weil es sein großes Talent für Bild- und Wortwitz herausforderte. Einige der Bilder, wie zum Beispiel „Plane Face“ und „Car Face“ von 1990 erinnern an Werke der Pop Art.
Trotzdem gehören die „Improved Paintings“in der Bilanz wohl eher zu den schwächeren Arbeiten des Künstlers. Das liegt vermutlich auch daran, dass die Aufnahme dieser Reihe eigentlich wirtschaftlich motiviert war. Aufgrund seines hyperrealistischen Stils benötigte Mati nämlich für seine Arbeiten sehr viel Zeit – mehrere Monate, ja teilweise mehrere Jahre.
Da er Galeristen mißtraute und seine Bilder lieber direkt verkaufte, gelang es ihm nie, eine dauerhaft erfolgreiche Vermarktungspartnerschaft aufzubauen. Das führte dazu, dass er über die Preise selbst entschied und weil er kein besonders guter Geschäftsmann war, verkaufte er Zeit seines Lebens zu billig.
Das Problem war ihm durchaus bewußt und er suchte nach einer Lösung. Wie er in einem Interview 1992 erklärte, konnte er ein „Improved Painting“ in etwa zwei Tagen fertig stellen. Er träumte davon, speziell für diese Werkkategorie mit Galerien zusammen zu arbeiten und eine Art kapitalistische Massenproduktion in Gang zu setzen.
Vorheriger Teil: Stilmerkmale der Kunst Mati Klarweins
Fortsetzung: Die Schaffensperioden
Mit freundlicher Unterstützung von Familie Klarwein, www.matiklarweinart.com