Konrad Fiedler (* 23. September 1841 in Oederan, Sachsen; † 13. Juni 1895 in München; gelegentlich auch in der Schreibweise Conrad Fiedler) war einer der bedeutendsten deutschen Kunsttheoretiker des 19. Jahrhunderts.
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Konrad Fiedler war der Meinung, dass die Wahrnehmung mit Hilfe von Malerei und Bildhauerei zu erklären ist.
Im Kunstwerk, so meinte er, drücken wir aus, was wir wahrnehmen.
Hier offenbart sich das ganze Geheimnis des notwendigen Unterschiedes, der zwischen dem Reich der Sichtbarkeit, das wir Natur nennen, und den Sichtbarkeitsgestaltungen herrscht, die uns in der künstlerischen Tätigkeit vor Augen treten. Dieser notwendige Unterschied resultiert allein daraus, dass, wo sonst der Mensch mit seiner Beziehung zur sichtbaren Natur zu Ende ist, der Künstler sich in seiner Tätigkeit zu dieser selben Natur um ihrer Sichtbarkeit willen in eine neue Beziehung zu setzen vermag.
(S. 185)
[Kunst] ist nichts anderes als der Vorgang, in dem die sichtbare Erscheinung der Natur gebannt und zu immer klarerer und unverhüllterer Offenbarung ihrer selbst gezwungen wird.
(S. 186)
In der Kunst erleben wir Wahrnehmung als Sichtbarmachung selbstständiger Formen des Seins.
Nur in der [künstlerischen] Tätigkeit [kann sich] das Interesse an der Sichtbarkeit eines Dinges so isolieren, dass die Vorstellung eines Gegenstandes, an dem die Sichtbarkeit erscheint, gänzlich schwindet und [Sichtbarkeit] zu einer selbständigen Form des Seins wird.
(S. 188)
Die unabhängige Existenz von Dingen hielt er für eine sprachliche Fiktion und die Frage danach für sinnlos.
Sprechen wir … von einem sichtbaren Gegenstande, der eben derjenige ist, den wir auch anderweitig [als durch unser Sehvermögen] sinnlich wahrnehmen, so nehmen wir stillschweigend darauf keine Rücksicht, dass, wenn man die sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften abzieht, ein Gegenstand als Träger derselben nicht mehr übrig bleibt.
(S. 176)
[Wir] können die Sprache nur mehr als eine Form ansehen, in der ein Wirklichkeitsbesitz für uns entsteht, nicht aber als das Mittel, durch welches wir eine Wirklichkeit, die nicht Sprache, die gleichsam ausserhalb des Sprachgebietes vorhanden wäre, zu bezeichnen und in unseren geistigen Besitz zu bringen vermöchten … So wenig die Sprache einer Wirklichkeit gegenübersteht, so wenig steht auch die Erkenntnis einer Wirklichkeit gegenüber.
(S. 174f.)
Die Erkenntnis, dass … von einem Sein zu reden nur soweit einen vernünftigen Sinn hat, als ein solches in unserem Bewusstsein erscheint … zerstört die Täuschung, als ob wir uns einer vor uns, um uns liegenden Welt mit den Organen unseres Leibes und mit den Fähigkeiten unserer Seele nur so geradehin zu bemächtigen brauchten, um sie zu besitzen
(S. 175)
Überlegung
- Aber Wahrnehmung ist doch ein unwillkürlicher Vorgang, Kunst dagegen aber ein willkürlicher Akt.
- Zudem engt Fiedlers These das Ziel der Kunst auf die Expression von Wahrnehmung ein.
Literatur
Boehm, Gottfried, 1980. „Bildsinn und Sinnesorgane“, in: neue hefte für philosophie 18/19: 118-132.
Majetschak, Stefan, 1989. „Welt als Begriff und Welt als Kunst. Zur Einschätzung der theoretischen Leistungsfähigkeit des Ästhetischen bei Kant und Konrad Fiedler“, Philosophisches Jahrbuch 96: 276-293.
Podro, Michael, 1972. The Manifold of Perception: Theories of Art from Kant to Hildebrand, Oxford: Clarendon Press, besonders S. III-120.
Wiesing, Lambert, 1997. „Die Zustände des Auges. Konrad Fiedler und Heinrich Wölfflin“, in Auge und Hand. Konrad Fiedlers Kunsttheorie im Kontext, S. Majetschak (Hg.), München: Fink Verlag, 189—208.
Textstellen zitiert nach: Wiesing, Lambert (Hg.), 2015. Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Biographische Information aus der deutschen Wikipedia.
Literatur aus Wiesing, 2015.