James Jerome Gibson (* 27. Januar 1904 in McConnelsville, OH; † 11. Dezember 1979 in Ithaca, NY) war ein amerikanischer Psychologe und beschäftigte sich vor allem mit Wahrnehmungspsychologie. Gibson lehrte von 1929 bis 1949 am Smith College und von 1949 an bis zu seinem Tode an der Cornell University.
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Für James J. Gibson war Wahrnehmung ein kontinuierlicher Prozess der Extraktion von Information aus einer unabhängig existierenden Aussenwelt.
Welche Art von Theorie soll … geeignet sein, Wahrnehmung zu erklären? Nur eine solche, die auf der Entnahme (Extraktion; pick up) von Information beruht.
(S. 349)
Die Schnappschusstheorie (der Wahrnehmung) [muss] annehmen, dass die Möglichkeit, Änderung zu erfassen, den Vergleich von Was-ist-jetzt mit Was-war-damals voraussetzt, worauf erst die Beurteilung als verschieden erfolgt. Die Extraktionstheorie kann dagegen ein (unmittelbares) Gewahrwerden von Transformation postulieren. Die Kongruenz einer optischen Anordnung mit sich selbst oder die Abweichung davon … wird (unmittelbar) aufgenommen.
(S. 355)
Dieser Prozess soll den ganzen Körper als Wahrnehmungssystem betreffen, nicht nur einzelne Sinne.
Sehen ist … ein ganzes Wahrnehmungssystem und nicht einfach ein Sinneskanal … Man sieht die Umgebung nicht mit den Augen, sondern mit den Augen-im-Kopf-auf-einem-Körper-unterstützt-durch-den-Boden … Die Wahrnehmungsfähigkeiten des Organismus liegen nicht in konkreten, anatomischen Teilen des Körpers, sondern in Systemen miteinander verschachtelten Funktionen.
(S. 349)
Wir nehmen, glaubte Gibson, nicht Abbilder wahr sondern Strukturinvarianten und die kontinuierlichen Veränderungen, die sich auf diese Invarianten beziehen.
Worin besteht die Information über Beständigkeit und Wechsel? … Der Wahrnehmende extrahiert die Strukturinvarianten aus dem Fluss der Reizung, deren Fliessen er weiterhin wahrnimmt.
(S. 354)
Dabei soll die Bewegung des Körpers der Veränderung entsprechen, die Regeln der Perspektive der invarianten Struktur.
Insbesondere für das visuelle System gilt, dass er sich auf die invariante Struktur der optischen Umgebungsanordnung einstellt, die der sich ändernden perspektivischen Struktur, hervorgerufen durch eigene Bewegung, zugrunde liegt.
(S. 354)
Gibson nimmt die unabhängige Existenz einer Aussenwelt an.
Herkömmlicherweise werden die Reizung durch Licht und die damit korrespondierenden Helligkeitsempfindungen als Grundlage jeder visuellen Wahrnehmung angesehen und die Eingänge an den Nerven als die Daten angenommen, die in den im Gehirn ablaufenden Wahrnehmungsprozessen verarbeitet werden. Dagegen mache ich eine ganz andere Annahme … In homogenem umgebenden Licht kommt es selbst bei adäquater Reizung und entsprechenden Empfindungen, wegen Mangel an Information nicht zum Sehen.
(S. 352)
Überlegung
- Aber bei Gibson bleibt unklar, wie wir abstrakte Strukturinvariantensehen sollen.
- „Struktur“ scheint sich weniger auf das Sehen zu beziehen als auf Begriffe und Erkenntnis.
Literatur
Fodor, J. und Pylyshyn, Zenon, 1981. „How Direct is Visual Perception?: Some Reflections on Gibson’s ‚Ecological Approach‘“‚ Cognition 9: 139-196.
Gombrich, H. Ernst, 1994. „James Gibson. Ein revolutionärer Wahrnehmungspsychologe“, in Das forschende Auge. Kunstbetrachtung und Naturwahrnehmung, H. Ernst Gombrich, Frankfurt und New York: Campus Verlag, S. 59-67.
Lombardo, Thomas, 1987. The Reciprocity of Perceiver und Environment: The Evolution of James Gibson’s Ecological Psychology, Hillsdale, N. Y.: Lawrence Erlbaum.
Mace, William M.‚ 1977. „James J. Gibson’s Strategy for Perceiving: Ask Not What’s Inside Your Head, but What Your Head’s Inside of“, in Perceiving, Acting, Knowing, R. Shaw und J. Bransford (Hg.), Hillsdale, N. Y.: Lawrence Erlbaum, S. 43-65.
MaeLeod, Robert B. und Pick, H. L. (Hg.), 1974. Perception: Essays in Honour of James J. Gibson, Ithaca, N. Y.: Cornell University Press.
Reed, Edward und Jones, Rebecca (Hg.), 1982. Reasons for Realism: Selected Essays of James Gibson, Hillsdale; N. Y.: Lawrence Erlbaum.
Reed‚ Edward und Jones, Rebecca, 1978. „James Gibson’s Theory of Perception: A Case of Hasty Epistemologizing?“, Philosophy of Science 45: 519-530.
Reed, Edward, 1988. James J. Gibson and Psychology of Perception, New Haven: Yale University Press.
Richards, J. R., 1976. „Gibson’s Passive Theory of Perception: A Criticism of Müller’s Specific Energies Hypothesis“, Philosophy and Phenomenological Research 37: 221-234.
Schwartz, Robert, 1994. Vision: Variations on Some Berkeleian Themes, Oxford: Blackwell, besonders S. 125-152.
Textstellen zitiert nach: Wiesing, Lambert (Hg.), 2015. Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Biographische Information aus der deutschen Wikipedia.
Literatur aus Wiesing, 2015.