Georg Wilhelm Friedrich Hegel (* 27. August 1770 in Stuttgart; † 14. November 1831 in Berlin) war ein deutscher Philosoph, der als wichtigster Vertreter des deutschen Idealismus gilt.
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Georg Wilhelm Friedrich Hegel war überzeugt, dass Sehen überwiegend nicht von der Erkenntnis abhängt.
[Der Gegenstand] zeigt sich … als das Ding von vielen Eigenschaften. Der Reichtum des sinnlichen Wissens gehört der Wahrnehmung, nicht der unmittelbaren Gewissheit an
(S. 141)
Denn immerhin ist Sehen etwas ganz Unmittelbares, ja Unkontrollierbares.
Wenn wir die Augen öffnen, können wir nicht bestimmen, was wir sehen, wir sehen einfach.
Die Sache ist; und sie ist nur, weil sie ist; sie ist, dies ist dem sinnlichen Wissen [= der sinnlichen Gewissheit] das Wesentliche, und dieses reine Sein oder diese einfache Unmittelbarkeit macht ihre Wahrheit aus.
(S. 139)
Hegel glaubte, dass wir Farben und Formen sehen in der Regelmässigkeit ihres gemeinsamen Auftretens.
Das Ding selbst ist das Bestehen der vielen verschiedenen und unabhängigen Eigenschaften.
(S. 144f.)
Dies abstrakte allgemeine Medium, das die Dingheit überhaupt oder das reine Wesen genannt werden kann, ist nicht anderes als das Hier und Jetzt … als ein einfaches Zusammen von vielen; aber die vielen sind in ihrer Bestimmtheit selbst einfach Allgemeine. Dies Salz ist einfaches Hier und zugleich vielfach; es ist weiss und auch scharf, auch kubisch gestaltet, auch von bestimmter Schwere usw. … Das Weisse affiziert oder verändert das Kubische nicht, beide nicht das Scharfe usw., sondern da jede selbst einfaches Sichaufsichbeziehen ist, lässt sie die anderen ruhig und bezieht sich nur durch das gleichgültige Auch auf sie. Dieses Auch ist also das reine Allgemeine selbst oder das Medium, die sie so zusammenfassende Dingheit.
(S. 142)
Dieser Vorgang war für ihn ein einfaches Nehmen – ein für wahr Nehmen.
So mache ich die Erfahrung, was die Wahrheit der sinnlichen Gewissheit in der Tat ist: … ich nehme so [ein einzelnes Ding] auf, wie es in Wahrheit ist, und statt ein Unmittelbares zu wissen, nehme ich wahr.
(S. 140)
Alle weiteren geistigen Operationen gehörten für ihn nicht zur eigentlichen Wahrnehmung.
So ist nun das Ding der Wahrnehmung beschaffen; und das Bewusstsein ist als Wahrnehmendes bestimmt, sofern dies Ding sein Gegenstand ist; es hat ihn nur zu nehmen und sich als reines Auffassen zu verhalten; was sich ihm dadurch ergibt, ist das Wahre. Wenn es selbst bei diesem Nehmen etwas täte, würde es durch solches Hinzusetzen oder Weglassen die Wahrheit verändern. Indem der Gegenstand das Wahre und Allgemeine, sich selbst gleiche, das Bewusstsein sich aber das Veränderliche und Unwesentliche ist, kann es ihm geschehen, dass es den Gegenstand unrichtig auffasst und sich täuscht.
(S. 143)
Überlegung
- Doch es scheint schwierig zu sein, eine sichere Grenze zu bestimmen zwischen diesem einfachem Nehmen und dem, was wir Erkenntnis nennen.
Literatur
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Textstellen zitiert nach: Wiesing, Lambert (Hg.), 2015. Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Biographische Information aus der deutschen Wikipedia.
Literatur aus Wiesing, 2015, sowie aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy.