John Locke (* 29. August 1632 in Wrington bei Bristol; † 28. Oktober 1704 in Oates, Epping Forest, Essex) war ein englischer Arzt sowie einflussreicher Philosoph und Vordenker der Aufklärung.
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Wie Descartes glaubte auch John Locke, dass das Auge ungefähr so wie eine Camera obscura funktioniert.
[Wahrnehmungsorgane oder Nerven leiten] die Eindrücke von aussen her zur Vernehmung im Gehirn, dem Audienzsaal des Geistes
(S. 80)
Meines Erachtens ist der Verstand einem Kabinett gar nicht so unähnlich, das gegen das Licht vollständig abgeschlossen ist und in dem nur einige kleine Öffnungen gelassen wurden, um äussere, sichtbare Ebenbilder oder Ideen von den Dingen der Umwelt einzulassen. Wenn die in einen solchen dunklen Raum hineingelangenden Bilder nur dort bleiben würden und so gordnet lägen, dass man sie im gegebenen Fall auffinden könnte, so würde solch ein Kabinett hinsichtlich aller sichtbaren Objekte und ihrer Ideen dem menschlichen Verstande ausserordentlich ähnlich sein.
(S. 89f.)
Der Geist, so meinte er, ist ein unbeschriebenes Blatt.
Nehmen wir also an, der Geist sei … ein unbeschriebenes Blatt, ohne alle Schriftzeichen, frei von allen Idee; wie werden diese ihm dann zugeführt? … Ich antworte darauf mit einem einzigen Worte: aus der Erfahrung … Unsere Beobachtung, die entweder auf äussere sinnlich wahrnehmbare Objekte gerichtet ist, oder auf innere Operationen des Geistes, die wir wahrnehmen und über die wir nachdenken, liefert unserem Verstand das gesamte Material des Denkens. Dies sind die beiden Quellen der Erkenntnis, aus denen alle Ideen entspringen, die wir haben oder naturgemäß haben können.
(S. 74)
Ich sehe … keinen Grund für die Annahme, dass die Seele denke, ehe sie von den Sinnen mit Ideen versehen wurde, über die sie nachdenken kann.
(S. 78)
Das, was wir im Kopf haben, wenn wir sehen, sind also, so meinte er, keine Symbole sondern Ideen. Wir sehen Formen und Farben und aus diesen Sinneserfahrungen entstehen Ideen.
Wenn unsere Sinne mit bestimmten sinnlich wahrnehmbaren Objekten in Berührung treten, so führen sie [die Sinne] dem Geist eine Reihe verschiedener Wahrnehmungen von Dingen zu … Auf diese Weise kommen wir zu den Ideen, die wir von gelb, weiss, heiss, kalt, weich, hart, bitter, süss haben, und zu all denen, die wir sinnliche Qualitäten nennen. Diese Quelle der meisten unserer Ideen … nenne ich Sensation.
(S. 75)
Wenn beispielseweise ein Schneeball die Kraft besitzt, in uns die Ideen von weiss, kalt und rund zu erzeugen, so nenne ich die Kraft … diese Ideen in uns zu erzeugen, Qualitäten; sofern sie aber Sensationen oder Wahrnehmungen in unseren Verstande sind, nenne ich sie Ideen.
(S. 81)
[Ich nenne] ursprüngliche oder primäre Qualitäten der Körper … Festigkeit, Ausdehnung, Gestalt, Bewegung oder Ruhe und Zahl … Farben, Töne, Geschmacksarten usw. … nenne ich sekundäre Qualitäten.
(S. 82)
Unsere Idee, der wir den allgemeinen Namen Substanz geben, ist also nichts anderes als der vorausgesetzte, aber unbekannte Träger der Qualitäten, die wir existieren sehen … So kommen wir zu den Ideen Mensch, Pferd, Gold, Wasser u. dgl. m.
(S. 91)
Alle unsere Ideen von besonderen, selbständigen Substanzarten [sind] nichts anderes als verschiedene Kombinationen einfacher Ideen, die in einer solchen, uns freilich unbekannten Ursache ihrer Verbindung miteinander bestehen, welche bewirkt, dass das Ganze für sich bestehen kann.
(S. 93)
Diese Theorie erinnert an Platon: Es gibt eine wirkliche Welt abstrakter Ideen, an der die sichtbaren Dinge nur teilhaben.
Doch so idealistisch wie Platon war Locke nicht, er setzte auf Erfahrung.
Zweierlei Dinge also, nämlich äussere materielle Dinge als die Objekte der Sensation und die inneren Operationen des Geistes als die Objekte der Reflexion, sind für mich die einzigen Ursprünge, von denen alle unsere Ideen unseren Anfang nehmen.
(S. 75)
Überlegung
- Aber wie sollen wir denn zu abstrakten Ideen gelangen, wenn unserem Geist doch ausschliesslich konkrete Sinneserfahrungen zur Verfügung stehen?
- Die Kombination einfacher zu komplexen Ideen setzt die Idee der Gestalt voraus. Diese kann den einfachen Ideen nicht entnommen werden.
Literatur
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Textstellen zitiert nach: Wiesing, Lambert (Hg.), 2015. Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Biographische Information aus der deutschen Wikipedia.
Literatur aus Wiesing, 2015, sowie aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy.
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