John Rogers Searle (* 31. Juli 1932 in Denver, Colorado) ist ein amerikanischer Philosoph. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Sprachphilosophie, die Philosophie des Geistes, Sozialontologie sowie Teile der Metaphysik. Searle ist Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley.
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John R. Searle versuchte, die Wahrnehmung über eine Analyse des Begriffs „sehen“ zu erklären.
Mir geht es darum, wie das Sehen begrifflich funktioniert. Meine Frage ist: Aus welchen Bestandteilen setzen sich die Wahrheitsbedingungen eines Satzes der Form „x sieht y“ zusammen, wobei x ein (menschliches oder tierisches) Wahrnehmungssubjekt und y beispielsweise ein materieller Gegenstand ist?
(S. 358)
Wenn ich ein Auto oder sonst irgendetwas sehe, dann habe ich ein visuelles Erlebnis einer gewissen Art. Bei der visuellen Wahrnehmung des Autos sehe ich nicht das visuelle Erlebnis, sondern ich sehe das Auto; aber wenn ich das Auto sehe, habe ich dabei ein visuelles Erlebnis, und das visuelle Erlebnis handelt von dem Auto
(S. 358)
Die Aussage „x sieht, dass y der Fall ist“ soll über den intentionalen Gehalt einer Wahrnehmung berichten.
Die Erklärung, die sich … aufdrängt, ist, dass mit der „sehen, dass“-Form über den intentionalen Gehalt der Wahrnehmung berichtet wird … Mit der „sieht y“-Form berichten wir nur über den intentionalen Gegenstand und legen uns nicht auf den Gehalt (auf den Aspekt, unter dem der intentionale Gegenstand wahrgenommen wurde) fest.
(S. 362)
Dieser intentionale Gehalt ist es, der ein visuelles Erlebnis unterscheidet von der Wahrnehmung einer Tatsache.
Seine Analyse bringt ihn zu der Annahme, dass zwischen visuellem Erlebnis und Wahrnehmung unterschieden werden muss.
Mit meiner Einführung des Begriffs des visuellen Erlebnisses mache ich eine Unterscheidung zwischen Erlebnis und Wahrnehmung
(S. 359)
Erlebnisse besitzen Intentionalität, sie sind auf Wahrnehmung von Gegenständen und Ereignissen gerichtet.
Visuelle Erlebnisse … [haben] Intentionalität … Das visuelle Erlebnis handelt genausosehr von Gegenständen und Sachverhalten in der Welt (oder ist genauso auf sie gerichtet), wie … Überzeugung, Furcht und Wunsch.
(S. 359)
Wie Überzeugungen sollen Erlebnisse einen propositionalen Gehalt haben, der erfüllt werden kann.
Das visuelle Erlebniss hat Erfüllungsbedingungen in genau demselben Sinn, in dem Überzeugungen und Wünsche Erfüllungsbedingungen haben.
(S. 359)
Der Gehalt eines visuellen Erlebnisses ist – wie der einer Überzeugung – immer einer ganzen Proposition äquivalent. Visuelles Erleben handelt niemals bloss von einem Gegenstand, vielmehr muss immer erlebt werden, dass das-und-dass der Fall ist.
(S. 361)
Ein Erlebnis wird erfüllt, wenn es durch die Wahrnehmung der entsprechenden Tatsache verursacht wird.
Zu den Erfüllungsbedingungen des intentionalen Gehalts eines visuellen Erlebnisses [gehört] die Forderung, dass das visuelle Erlebnis vom Rest seiner Erfüllungsbedingungen – und d.h.: vom wahrgenommenen Sachverhalt – verursacht wird.
(S. 367)
Wahrnehmung ist eine intentionale und kausale Transaktion zwischen Geist und Welt. Die Ausrichtung ist Geist-auf-Welt, die Verursachung Welt-auf-Geist; und die beiden sind nicht voneinander unabhängig, denn der Geist passt (im Lichte der Ausrichtung) nur dann zur Welt, wenn das andere Relat der Passensbeziehung (und zwar der wahrgenommene Sachverhalt) das Zusammenpassen von Geist und Welt bewirkt … Es gehört zum Gehalt des visuellen Erlebnisses, dass es – um erfüllt zu sein – von seinem intentionalen Gegenstand verursacht werden muss.
(S. 369)
Überlegung
- Aber wenn jede Tatsache als Erfüllung ein Erlebnis voraussetzt,
das erfüllt werden kann, dann kann die Tatsache nicht Ursache des Erlebnisses sein, weil sonst die Wirkung vor der Ursache läge.
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Literatur
Garcia-Carpintero, Manuel, 1999. „Searle on Perception“, Theorema 18: 19-41.
Holenstein, Elmar, 1985. „Searles Hintergrund. Neue Beiträge zum Intentionalitätsproblem“, in Dilthey Jahrbuch 3: 235-259.
Malcom, Norman, 1991. „I believe that p“, in John Searle and his Critics, E. Lepore und R. van Guliek (Hg.), Cambridge und Oxford: Basil Blackwell, S. 159-167.
Roesler, Alexander, 1997. „Kritik der Searleschen Wahrnehmungstheorie“, Analyomen 2, G. Meggle und J. Nida-Rümelin (Hg.), Berlin und New York: de Gruyter, S. 283-290.
Zemach, Eddy M., 1991. „Perceptual Realism, Naive and Otherwise“, in John Searle und his Critics, E. Lepore und R. van Gulick (Hg.), Cambridge und Oxford: Basil Blackwell, S. 167-179.
Textstellen zitiert nach: Wiesing, Lambert (Hg.), 2015. Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Biographische Information aus der deutschen Wikipedia.
Literatur aus Wiesing, 2015.