Die Künstler von Deià / Maler / Mati Klarwein
Formationsjahre (1949 – 59)
Wenn es um die Formationsjahre eines Künstlers geht, dann ist natürlich die spannendste Frage, wer ihn beeinflusst hat. Bei Mati Klarwein werden dabei häufig Ernst Fuchs und Salvador Dalí genannt. Es trifft zwar zu, dass beide Maler wichtige Mentoren für ihn waren – zum Beispiel lernte er von Ernst Fuchs wichtige technische Fertigkeiten – aber künstlerisch setzte er sich stark von ihnen ab.
Schon bei einem frühen Selbstportrait von 1957 (rechts) fällt der Titel auf: „Self Dürer“ und gibt vielleicht einen Hinweis auf ein anderes künstlerisches Vorbild. Im Vergleich mit Dürers Selbstbildnis von 1500 wirkt Matis Darstellung bewusst moderner. Die Ausführung lässt eher an die Neue Sachlichkeit denken als an die Renaissance.
Die Neuen Sachlichkeit war eine Kunstrichtung, die, vom Bauhaus beeinflusst, in der Zeit vom Ende des ersten Weltkrieges bis Mitte der dreißiger Jahre aufblühte, bevor sie von den Nazis als „entartet“ unterdrückt wurde. Christian Schadt war einer ihrer typischen Vertreter und seine „Isabella“ von 1934 (links) ähnelt in ihrer „ungeschminkten“ Neutralität deutlich Mati Klarweins „Tobi Molenaar“ von 1959 (rechts).

Das zentrale Werk seiner Formationsjahre ist aber wohl „Artist and Model“ von 1959. Bei diesem, vermutlich in Paris entstandenem Interieur, zeigt sich das besondere technische Können des jungen Malers. Obwohl im gleichen Jahr entstanden weist es im Gegensatz zu „Flight to Egypt“ (1959 – 61) keine psychedelischen Stilmerkmale auf. In dieser Zeit zwischen 1959 und 1961 hat also offensichtlich eine entscheidende künstlerische Weiterentwicklung stattgefunden.
Psychedelisch-realistische Periode (1959 – 65)
Mati Klarwein wird häufig als psychedelischer Künstler bezeichnet, ein Etikett, das er vehement ablehnte. Allerdings sage er auch über sich „Ich habe schon psychedelisch gemalt, bevor ich psychedelische Drogen genommen habe“. Was schlecht zusammen zu passen scheint, hat eine einfache Erklärung: Als Künstler durchlief Mati mehrere Perioden und nicht alle waren psychedelisch. Spätestens ab seiner Real-Estate-Periode (siehe unten) bemüht er sich um neue Ausdrucksformen. Trotzdem hat er den psychedelischen Einfluss nie verleugnet. Noch 1990 reiste er nach Barcelona, um dort seinen alten Freund Timothy Leary wiederzutreffen.
Obwohl die Reduzierung auf psychedelische Werke ihm als Künstler insgesamt nicht gerecht wird, gab es doch zweifelsohne zwei Perioden in seinem Leben, in denen er stark psychedelische Werke geschaffen hat, darunter einige Ikonen der Zeit, wie zum Beispiel „Annunciation“. Die frühe psychedelische Periode zeigt dabei Einflüsse aus der Übergangszeit vom Mittelalter zu nordischen Renaissance (etwa Mitte des 15. bis Mitte des 16. Jahrhunderts).
Der Bildaufbau von „Flight to Egypt“ (rechts) ähnelt dem im „Hiob Triptychon“ von 1510 – 20 (links) von Hieronymus Bosch.
Das liegt daran, dass beide, wenn auch unterschiedlich motiviert, eine ähnliche Raumdarstellung wählten. Bei Bosch wirkt der Raum „gestapelt“. Erwin Panofsky hat das als „Aggregatraum“ bezeichnet. Grund dafür war, dass Bosch die vollständige Konstruktion der Perspektive noch nicht beherrschte.
Auch in Matis „Flight to Egypt“ stellt den Raum nicht als Kontinuum dar sondern als zusammengeschnittene Collage. Das liegt aber natürlich nicht daran, dass der Künstler nicht perspektivisch korrekt konstruieren konnte. Die Diskontinuität ist hier vielmehr bewusstes Stilmittel.

Solche Zusammenschnitte (Cut-Ups) wurden von nun an zu einem wichtigen Stilmerkmal. Das erste Werk, in dem Mati Klarwein konsequent von der Cut-Up Technik Gebrauch machte, war „Annunciation“ von 1961.
Neben deutlich voneinander getrennten Raumteilen, die das Kontinuum des Bildraumes zerbrechen, finden sich merkwürdige Objekte, wie der einsame Fuß mit Fächer (rechts), der an den Kopffüßler aus Boschs „Das Jüngste Gericht“ von 1485 – 1505 (links) erinnert.

„Annunciation“ ist sicher das wichtigste Werk dieser Periode. Carlos Santana hatte es 1970 als Cover-Illstration für sein Album „Abraxas“ ausgewählt. In diesem Werk und in dem etwa gleichzeitig entstandenen „Flight to Egypt“ wurden zum ersten Mal sexuelle Themen prominent. Diese Thematik gewann in den nächsten Jahren eine hohe Bedeutung für Matis Arbeit und nur etwas später, in „Grain of Sand“ von 1963, wurde der Gegenstand bereits expliziter dargestellt. In dieser Periode bildeten sich weitere psychedelische Stilmittel heraus, wie Kaleidoskopismus („Grain of Sand“ ist im Mandala-Format aufgebaut) und Mikroskopismus.

Zwei weitere zentrale Werke der psychedelischen Frühperiode sind „Saint John“ von 1962 und „Landscape Perceived / Landscape Described“ von 1963. Hier verwendete Mati erstmals Schriftzeichen in seinen Bildern. Obwohl diese zunächst an Beschriftungen erinnern, stellen sie doch eher eine besondere Wirklichkeitsebene des Bildraums dar, sind Formen einer besonderen Wahrnehmung.
Interessant ist, dass sich seine Portraits, mit denen er überwiegend seinen Lebensunterhalt bestritt, in dieser Periode noch nicht wesentlich veränderten.
Psychedelisch-symbolistische Periode (1965 – 74)

Im Jahr 1965 stellte Mati „Time“ fertig. Dieses Bild bedeutete einen deutlichen Bruch mit seiner bisherigen Arbeit und stellt deshalb (mehr als der im Vorjahr vollendete „Adam“) den Beginn seiner wilden psychedelischen Zeit dar. „Time“ ist eigentlich ein Portrait seiner Freundin Kali, aber es wirkt nicht wie ein Portrait, sondern wie ein von Symbolen beherrschtes Mandala. Feuer, Wasser, Erde, Luft gliedern den Bildaufbau. Monster und sexuelle Symbole stehen im Zentrum. Der Hyperrealismus tritt zurück gegenüber stark ausgeprägtem Kaleidoskopismus und einer mutigen Day-Glo Palette.
Die Sexualsymbolik trat in den nächsten Jahren dann auch in den Portraits zunehmend deutlich hervor, wie ein Vergleich von „Angel New York“ (1965, links), das keine offensichtlich sexuellen Symbole aufweist, „Brasilian Angel“ (1967, Mitte) und „Bavarian Angel“ (1970, rechts) zeigt.
In dieser Zeit, die er überwiegend in New York verbrachte, entwickelte Mati psychedelische Stilmittel energisch weiter und seine Formensprache veränderte sich erheblich. Das Thema „Landschaft“ trat zurück, symbolische Motive, gestaltet mit Mitteln des relativen Realismus wie optischen Verzerrungen und qualitativer Inversion, wurden dominant.


Wichtige Arbeiten aus Matis psychedelischer Hochphase sind „Astral Body Awake“ (Portrait Oona Lind) von 1969 und insbesondere „Zonked“ (Portrait von Betty Davis) von 1971, das vielleicht den Höhepunkt dieser Entwicklung ausmacht.
Real-Estate Periode (1975 – 88)
Ab 1975 wendete sich Mati von einer dominanten Sexualität ab und kehrte zur Landschaft zurück, die ihn bis zu seinem Tod in besonderer Weise beschäftigen sollte.
Das „Self Portrait“ von 1975 (links) ist ein rätselhaftes Bild, bei dem die Landschaft stark an Bedeutung gewinnt, bevor sie dann in „Night and Day“ von 1976 (rechts) zum alleinigen Thema wird.



In dieser Zeit entstanden einige seiner stärksten Arbeiten, wie zum Beispiel „Real Estate“ von 1979, „Wet Curve“ von 1981 oder „Camouflage“ von 1985.
Mitte der achtziger Jahre heiratete er Laure Frapier und bekam zwei Söhne. Seinen Wohnsitz in New York gab er auf und lebte nun dauerhaft in der Nähe von Deià.
1984 malte er seinen Garten in Sa Casanova (links), 1986 portraitiert seine Frau (Mitte), im Jahr darauf sich selbst (rechts).
Sein Stil wurde entspannter, er reduzierte seine Mittel. Manchmal entstand zwar noch ein krass psychedelisches Bild wie „The Love of My Life is an Art Critic“ (1976), aber sein Interesse galt nun überwiegend der Landschaft und seiner veränderten Wahrnehmung des Lichts.
Spätwerk (1988 – 2002)
Ab 1988 beschäftigte sich Mati Klarwein intensiv mit „Improved Paintings“. Dies markiert den Beginn seines Spätwerks. Weiter oben ist bereits argumentiert worden, warum diese Reihe zum schwächeren Teil seiner Oevres gehört. Deshalb sollen diese Arbeiten hier nicht ausführlicher vorgestellt werden.
Auch das Genre des Stillebens, das seit seiner Jugend keine grössere Rolle gespielt hatte, nahm er wieder auf. Im Vergleich zwischen „Still Life with Clawfish“ aus den fünfziger Jahren (links) und „Dry Fish“ von 2000 (rechts) wird die Entwicklung seines Stils deutlich.
In dieser letzten Schaffensperiode wurden seine Bilder technisch perfekter aber auch manirierter. Letzteres mag daran liegen, dass seine Kunden einen „psychedelischen Touch“ von ihm erwarteten, gerade in den Auftragsportraits.
Neben „Improved Paintings“ schuf er weiterhin Portraits und Landschaftsbilder.
Die stärksten Portraits dieser Zeit sind „Daily Miracle“ von 1998 (links), eine innovative Auslegung dieses Genres, bei der der Portraitierte fast in der Landschaft verschwindet, und „Colomar Ramonell“ von 1999 (rechts), ein technisch und kompositorisch besonders gelungenes Werk, bei dem psychedelische Stilmerkmale erst auf den zweiten Blick erkennbar werden.
Seine „Mindscapes“ wurden in dieser letzten Schaffensperiode wieder psychedelischer. Das betraf sowohl die inneren als auch die äußeren Stilmerkmale. Mythische Figuren und Feuersymbole traten vermehrt auf. Feuer ist in Matis Werk oft ein holistischer Verweis, als Symbol für die Energie in den Dingen und ihren Übergang von einem Zustand in einen anderen.

Die Bedeutung seiner holistischen Sichtweise lässt sich gut an „Gates of Paradise“ von 1997 beschreiben. Mati hatte, wie jeder Maler, unendlich viele Möglichkeiten, seinen Blickpunkt festzulegen. Aber für eine musste er sich entscheiden. Mit seiner Entscheidung schrumpften alle Möglichkeiten auf diesen einen Blickpunkt, für den er sich entschied. Im Bild entfalten sich von da aus die Dinge auf eine ganz bestimmte Weise, während andere Weisen eingefaltet werden. Kein Maler kann das Ganze zeigen.
Aber jedes Bild verweist doch immer auf dieses Ganze, das heisst auf die nicht sichbaren Weisen des Daseins.
Matis Darstellung verweist zum Beispiel auf den Berg Teix (nicht im Bild), über den am Morgen die Sonne kriecht und zuerst die Küste zwischen Miramar und Son Marroig ins Licht taucht (im Bild), während jemand auf seinem Stuhl im kühlen Schatten des Felsens sitzt und auf den magischen Moment wartet, an dem die warmen gleißenden Strahlen sich über ihn ergiessen (nicht im Bild).
Der Künstler hätte auch einen anderen Blickpunkt wählen können, einen, von dem aus die Mauern des Hofs von aussen zu sehen gewesen wären, mit dem Blick auf den Teix und die Sonne im Hintergrund. Das hat er nicht getan, aber die Aussenseite der Mauern, der Teix und die Sonne sind trotzdem mit in seinem Bild.
Das Bild als Teil der Wirklichkeit verweist in dieser Weise auf das Ganze. Es kann nicht anders.

Ein weiteres Indiz für die Wiederentdeckung der psychedelischen Erfahrung waren die Zunahme von symmetrischen Formen und Strukturen sowie die neue Intensität der Day-Glo Farbgebung, wie hier in „Epicenter“ von 1999. Auch Sexualität spielte wieder eine Rolle, aber sie war brav geworden. Mati entwickelte eine Fish-Eye-Perspektive, die den Raum stark krümmte.
Mati Klarwein war fanatisch in seiner Arbeit. Buchstäblich bis zu seinem letzten Lebenstag saß er an der Staffelei, immer noch der berühmteste unbekannte Maler der Welt.
Vorheriger Teil: Das Werk im Überblick
Mit freundlicher Unterstützung von Familie Klarwein, www.matiklarweinart.com
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