An einem heissen Sommertag besuchte der Philosoph A seinen Freund, den Philosophen B, in dessen Haus. In seiner Erinnerung war dieses Haus immer mustergültig gewesen. Jedes Stäubchen und alle anderen Dinge schienen nach einem strengen Prinzip geordnet, das A sehr vernünftig vorgekommen war, obwohl er es nie verstanden hatte.
Heute saßen sie in der Bibliothek. Seltsam, durcheinander, vollgestopft und fast chaotisch wirkte die. Neben B’s Ohrensessel stand eine große Kiste aus groben, abgenutzten Brettern. Die war doch vorher nicht da gewesen? Diese Kiste war fast vollständig gefüllt mit zerbrochenem Glas. Braune, grüne und weiße Scherben bildeten ein still glitzerndes Durcheinander.
„Sag mal, B, was hast du denn in der Kiste da?“ fragte A. B schien die Frage etwas unangenehm zu sein. „Das hat mit einem Problem zu tun, über das ich gerade nachdenke. Aber genug davon, ich habe mich in den letzten Tagen noch mal mit deinem Argument beschäftigt, dass Gott das ist, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann. Der Gottesbeweis, den du daraus ableitest, erscheint mir nach wie vor dubios. Nimm Platz und lass uns noch mal reden.“
„Ok“, A setzte sich auf das Sofa, von dem er zunächst einige riskant aufgetürmte Bücherstapel entfernen musste, was B mißtrauisch beobachtete.
„Gut, gut! Dann stell dir jetzt mal etwas vor, über das hinaus Größeres gedacht werden kann.“ „Ja, mache ich.“ „Fällt dir da nur eine Sache ein?“ „Nein, natürlich nicht, je länger ich darüber nachdenke, um so mehr fällt mir ein! Riesig viel mehr!“
B räusperte sich und rutschte auf seinem Sessel weit nach vorne, als wolle er nun zu einem entscheidenden Schlag ausholen: „Findest du unter dem Ganzen denn irgendetwas, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann?“ fragte er lauernd. „Nein, nein.“
„Dann stimmst du mir also zu, dass dir da nur Sachen einfallen, die keinesfalls Gott sein können?“ „Ja, dem stimme ich zu.“
„Folglich muss es noch etwas außerhalb dieser riesigen Mannigfaltigkeit geben, und das muss dann logischerweise Gott sein, oder? Denn allein Gott ist nach deiner Regel ja das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann.“ „Es scheint wohl so.“
„Gut, nehmen wir einmal an, das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, gibt es wirklich. Dann haben wir also einmal das Ganze von allem, über das hinaus Größeres gedacht werden kann, und zusätzlich das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann. Richtig?“ „Mmhm.“
„Aber wenn wir diese beiden vereinigen, haben wir dann nicht etwas Neues, das größer sein muss als jedes der beiden? Und wenn das zutrifft, bedeutet es nicht auch, dass das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, unmöglich etwas sein kann, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann?“
„Hmmmm. Na ja, das ist nun wirklich genug für heute. Du musst dich, glaube ich, jetzt wieder um deine Flaschensammlung kümmern.“
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