In meiner Familie gab es viele Jäger. Mein Urgroßvater zum Beispiel war Mitbegründer der Altenbürener Jagdgesellschaft, die in den 10er-Jahren des 20. Jahrhunderts ein großes Revier in der Nähe von Brilon im Sauerland gepachtet hatte. Damals staunten die Bauern nicht schlecht, wenn die Herren aus der Industriestadt Lüdenscheid mit ihrem Tross von vier oder fünf Kraftfahrzeugen vorgefahren kamen.

1917 erlebte Urgroßvater Carl das höchste Jägerglück: Er erlegte den begehrten Brunfthirsch „Gustav“.

Auch mein Opa und mein Vater waren Jäger. Als Kinder durften wir manchmal mit auf den Hochsitz. Aber es zeigte sich nie ein Wild, wahrscheinlich waren wir viel zu unruhig.
Ich erinnere mich noch gut daran, dass manchmal ein frisch erlegter Bock bei uns in der Waschküche abhing. Das war sehr spannend und ein bisschen gruselig und der spezielle Wildgeruch erfüllte den Keller.

Obwohl ich mich im Alter von 15 Jahren sehr begeistert auf die theoretische Prüfung vorbereitet habe, bin ich selbst dann doch niemals Jäger geworden. Wild auf den Teller bekam ich über viele Jahre ausschließlich mal im Restaurant.

Durch Zufall lernten kürzlich Freunde von uns ein Jägerehepaar aus Buchhagen bei Olpe kennen, das ihnen einige ganz fantastische Stücke aus der Rehkeule abgegeben hat. Es stammte von einem einjährigen Bock, der vom Ansitz aus erlegt worden war. So gejagt bleibt das Wildpret viel zarter als Fleisch aus einer Drückjagd. Denn Drückjagd heisst, dass das Tier aufgescheucht und Richtung Jäger getrieben wird. Der Körper setzt dabei das Fluchthormon Adrenalin frei und das macht das Fleisch spröde.
Das Fleisch

Also, ein perfekt gejagter Bock und dazu gab’s von der Jägersfrau noch ihr spezielles Rezept als Zugabe obendrein.
800 g Rehkeule (ohne Knochen), gut abgehangen (für 4 Personen)
50 g Pancetta oder durchwachsenen Speck
30 g Butter
5 – 6 mittlere gelbe Zwiebeln, grob zerteilt
8 Lorbeerblätter
10 ganze Nelken
200 ml heißer Wildfond
Salz, Pfeffer
Das Fleisch sorgfältig von Sehnen und Häuten befreien, dann mit Pfeffer und Salz einreiben. So ein zartes Fleisch, wie wir es bekamen, muss nicht eingelegt werden. Wenn das Fleisch aber nicht ganz so toll ist, dann kommt es vor dem Putzen über Nacht in Buttermilch.
Den Speck mit der Butter in einem Bräter bei hoher Temperatur auslassen (dabei häufig rühren). Das Fleisch darin von allen Seiten kräftig anbraten.

Zwiebeln, Lorbeerblätter und Nelken dazu geben. Die Hitze reduzieren und auf kleiner Flamme (Elektro 3 von 9) mit aufgelegtem Deckel schmoren lassen. Immer mal wieder prüfen, dass es im Topf nicht zu stark köchelt.
Wenn die Zwiebeln gut gebräunt sind, mit Wildfond aufschütten und weiter schmoren lassen. Nach 2 bis 3 Stunden ist das Fleisch gut (Garprobe machen). Die Stücke aus dem Sud nehmen, in Alufolie einschlagen und beiseite stellen.
Die Sauce

400 ml (oder etwas weniger) passierter Bratensud
200 ml von dem guten, schweren Rotwein, den du auch zum Essen servierst
150 ml Schlagsahne
50 g Butter
10 g kühlschrankkalte Butter
50 g Mehl
Salz, Pfeffer
Den Bratensud durch ein Küchensieb in einen Topf passieren. Die Flüssigkeit dabei leicht aus den Zwiebeln drücken. Den Rotwein zugeben und alles erhitzen, bis es dampft aber keinesfalls köchelt.
Die Butter im jetzt leeren Bräter auslassen, das Mehl einsieben und in etwa 5 Minuten mit einem Holzspatel gründlich einarbeiten (Stufe 4 – 5 von 9).
2 große Kellen des heißen Bratensuds in die Einbrenne geben und mit dem Spatel zügig einarbeiten, so dass keine Klümpchen entstehen. Wenn die Masse fest wird, weiteren Bratensud einrühren, bis alles aufgebraucht ist.
Die Sauce nun ca. 20 Minuten köcheln lassen und dabei häufig umrühren. Zuerst ist sie noch recht flüssig, dickt dann aber ein. Wenn sie ungefähr die richtige Konsistenz hat, die Sahne angiessen, einrühren und ca. 2 Minuten aufkochen lassen. Den Topf vom Feuer ziehen, die kühlschrankkalte Butter einrühren (die Sauce darf dabei nicht mehr köcheln). Mit Pfeffer und Salz abschmecken.
Das Fleisch in daumendicke Scheiben schneiden und in die heiße Sauce geben.

Dazu passen Wirsing oder Rotkohl, Apfelkompott und Salzkartoffeln.
Geniess‘ es einfach!