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Graf Almaviva, ein notorischer Schürzenjäger, möchte unbedingt bei Susanna, der Zofe seiner Gattin, zum Zuge kommen. Der Plan sieht so aus: Erstmal zögert er seine Zustimmung zu ihrer Hochzeit mit immer neuen Gründen hinaus. Dazu später mehr. Wenn dann seine Liaison mit ihr etabliert ist, darf sie seinen Diener Figaro gerne heiraten. Ganz in der Nähe seiner eigenen Gemächer hat er dem verliebten Paar ein schönes, großzügiges Gemach zugewiesen, das die Eheleute dann bewohnen sollen.
Während die beiden herumturteln, misst Figaro schon mal aus, ob das Ehebett hinein passt. Nach dem Plan des Grafen wird er allerdings schon bald als Kurier in wichtiger Mission nach England gesandt. Dann wäre alles bestens gerichtet, denn bis zu Susannas Bett brauchte der Herr dann nur drei Schritte.
Susanna erahnt die Hinterlist. Figaro sieht nur Vorteile im neuen Wohnarrangement, aber sie bringt ihn auf die Schliche.
Diese Schlechtigkeit! Figaro ist höchst erbost und, ja, wenn der Graf Spielchen spielen will, das kann er auch. Er hat schon einen Plan, mit dem er seinen Herrn zwingen wird, der Hochzeit zuzustimmen.
Aber der Bräutigam in spe hat selbst ein ernstes Beziehungsproblem. Vor einiger Zeit hatte er sich bei der alternden Marcellina, der Verwalterin des Grafen, Geld geliehen und in seiner Not dafür ein Eheversprechen unterschrieben, das Marcellina natürlich vor seiner Hochzeit mit Susanna einfordern will. Dabei hilft ihr der Arzt Dr. Bartolo, ein enger Vertrauter, der noch eine alte Rechnung mit Figaro offen hat. Und dafür, dass bei ihm keine Beleidigung ungesühnt bleibt, dafür kennt die ganze Stadt den Dr. Bartolo!
Während Marcellina und Bartolo ihren Plan besprechen, betritt Susanna den Raum. In der Hand hält sie ein Kleid und eine Haube der Gräfin. Bartolo geht. Es kommt zu einem kurzen aber heftigen Zickenkrieg mit dem Ergebnis, dass Marcellina empört davon stürmt.
Kaum ist sie draußen, huscht Cherubino, der Page des Grafen, herein. Ah, Cherubino! Welch’ ein hübscher, sensibler, idealistischer, fast femininer junger Mann. Die Liebe, die der Graf mit all seiner Macht, seinem Geld, mit List und Tücke bei den Damen dann doch nie wirklich entzündet – ihm fliegt sie zu. Jedes Zimmer einer Dame, das der Graf betritt – Cherubino ist schon drin. Unter jeder Decke, die der Graf lüftet – Cherubino liegt schon drunter. Es ist zum Verzweifeln: Erst gestern hatte der Graf sein Glück bei Barbarina, der schönen Tochter seines Gärtners versucht. Doch wer war schon da? Genau, Cherubino. Des lästigen Mitbewerbers endgültig überdrüssig, hatte er ihn kurzerhand entlassen.
Dabei ist dieser Amor doch kein bisschen berechnend, verfolgt keinen Plan, verschießt seine Pfeile blind. Er ist einfach überwältigt von seiner Liebe zu den Frauen. Allen Frauen. Ach, die Hormone!
Sogar nach der Gräfin schmachtet er und stiehlt Susanna erst mal das wohlriechende Band, mit dem diese Göttin ihre Haube bindet. Er hat ein Liebeslied geschrieben, das Susanna der Herrin vortragen soll verbunden mit der Bitte, sich für ihn bei ihrem Gatten dafür einzusetzen, dass der den Rauswurf rückgängig macht.
Da stapft der Graf schon heran. Nicht das schon wieder, oder? Doch! In Panik flüchtet der Bube hinter einen großen Lehnstuhl.
Almaviva ist mehr als nur erfreut, Susanna endlich einmal allein anzutreffen und bedrängt sie mit unseriösen Avancen. Die Lage wird zunehmend unangenehm und sie weiß kaum noch, wohin sie ausweichen, was sie sagen soll. Der Herr brummt um sie herum wie ein lästiges Insekt.

Da naht zum Glück Don Basilio, seines Zeichens Musiklehrer und Chefintrigant am gräflichen Hof. Der Graf ist unangenehm berührt, denn die ganze Situation wirkt doch etwas kompromittierend und Don Basilio kennt man nun nicht gerade als Meister der Verschwiegenheit. Peinlich, peinlich. So peinlich, dass Almaviva glaubt, sich in seinem eigenem Schloss vor seinem eigenem Gesangslehrer hinter einem Lehnstuhl verstecken zu müssen.
Doch halt! Da kauert ja schon Cherubino! Welch’ ein Drama! Susanna gelingt es gerade noch, sich mit ihren weiten Röcken so zwischen den Pagen und ihren Herrn zu drängen, dass Cherubino hinter dem Sessel hervor und auf dessen Sitz schlüpfen kann. Der Graf drängt hinter den Sessel, Susanna deckt den Pagen mit dem Kleid der Gräfin zu. Genau in dem Moment tritt Don Basilio ein. Oh, Gott!
Basilio, ganz die Stimme seines Herrn, beginnt sofort damit, Susanna die Vorteile des Seitensprungs zu erläutern. Im Prinzip, Sie verstehen, ist insbesondere der Seitensprung mit einem hohen Herrn jedenfalls eine sehr gute Sache, wenn dieser Herr freisinnig und weise ist. Mal ganz allgemein gesprochen, verstehen Sie?? Jedenfalls wäre ein solcher Liebhaber doch attraktiver als, sagen wir mal, ein Jüngling, etwa ein Page.
Susanna schrickt zusammen. „Cherubino?“ entfährt es ihr unwillkürlich. Ah, Cherubino! Don Basilio weiß einiges zu berichten über Cherubino. Zum Beispiel, dass der doch vorhin noch hier im Zimmer war und ein Liedchen geträllert hat. War’s für Susanna, war’s für die Gräfin? Man weiß es nicht. Ja, die Gräfin, die der Cherubino bei Tisch so auffällig anhimmelt, dass alle im Schloss Bescheid wissen.
Den Grafen hält es nun nicht mehr länger hinter seinem Stuhl. Wütend kommt er hervor und will auch wissen, was alle wissen. Don Basilios Überraschung wirkt gespielt. Er wusste zu viel, um nicht zu wissen, dass der Graf schon im Raum war und von nichts wusste.
Ha, Cherubino! Der schon wieder!! Und dann noch mit der eigenen Gattin? Es reicht jetzt wirklich!!
Susanna versucht die Situation zu retten, indem sie kurzerhand in Ohnmacht fällt. Gar keine gute Idee, denn Basilio rückt eilfertig den Sessel heran. Schneller ist noch niemand aus einer Ohnmacht wieder erwacht.
Der Graf, nach wie vor außer sich, berichtet von dem gestrigen Abend bei Barbarina, die so auffällig verwirrt erschien, dass er ihr Zimmer genauer untersuchen musste, um nach dem Rechten zu sehen. Wie er leise an ihr Bett heranschlich. Wie er mit einem Ruck die Bettdecke wegriss. Wie er den unverschämten Cherubino unter der Bettdecke fand. Während er das berichtet, spielt er die Szene nach. Er schleicht sich an … den Sessel. Er reißt mit einem Ruck … das Kleid weg. Er findet … Cherubino!
Skandal! Der Graf verlangt Erklärungen. Warum ist Cherubino hier bei Susanna? Was läuft da zwischen den beiden? Wann kam der? Was hat der belauscht? Warum hat er selbst nur gar nichts davon mitgekriegt?
Die an sich interessante kriminalistische Untersuchung wird dadurch unterbrochen, dass ein Haufen Leute ins Zimmer strömt. Es sind Bedienstete, die ihren Herrn feiern wollen wegen seiner Liberalität und Grosszügigkeit, die heute in seiner Zustimmung zur Hochzeit zwischen Susanna und Figaro gipfelt. Sogar einen Brautkranz hat man sicherheitshalber schon mal mitgebracht.
Das ist also Figaros genialer Plan? Echt jetzt – so simpel, so durchsichtig?
Der Graf weiß von nichts und will auch nichts davon wissen. Ohne Mühe windet er sich aus dieser Honigfalle und schickt die Leute wieder fort.
Bliebe noch die Causa Cherubino zu klären. Der fällt vor seinem Herrn auf die Knie und bittet um Vergebung. Susanna bittet. Figaro bittet. Bitte, bitte!
Nun gut, man will kein Unmensch sein! Cherubino wird begnadigt und sogar auf einen schönen Offiziersposten im Heer des Grafen befördert. Er soll abreisen! Sofort! Nicht vielleicht erst morgen? Nein, sofort!
Lebe wohl, Cherubino, sanfter Jüngling, Liebling der Damen! Damit ist es nun vorbei. Schon bald wirst du mit rauhbeinigen Spießgesellen durch Matsch und Schlamm zum Sieg marschieren. Das Feld der Ehre ist alles, was dich noch erwartet.
Vorheriger Teil: Die Personen des Stücks
Fortsetzung nächste Woche: 2. Akt, in dem Cherubino nicht den Beruf sondern das Geschlecht wechselt, Figaros Plan nicht den Grafen sondern die Gräfin blamiert und der Gärtner nicht weiss, wer ihm seine Blumenrabatten zertrampelt hat.
Bildnachweis:
Titelbild: Alexandre Fragonard, Szene aus dem I. Akt, 1827