/ Startseite / Figaros Hochzeit
Der Gräfin ist die Untreue ihres Gemahls nicht verborgen geblieben. Wo ist nur der vitale Liebhaber, der alleine sie begehrte und jede Anstrengung auf sich nahm, um sie zu gewinnen? Soll die Arme nun den Rest ihrer Tage an der Seite eines alternden Lüstlings erdulden? Dann doch lieber tot sein!
Susanna betritt ihre Gemächer und lenkt sie von trübseligen Gedanken ab. Längst hat sie ihrer Herrin von den Annäherungsversuchen des Grafen berichtet. „Ach ja!“ stöhnt Madame, „so ist der moderne Mann: Aus Prinzip untreu und aus Stolz eifersüchtig!“
Einen rettenden Plan soll sich nun Figaro ausdenken, der ja schließlich auch ein Mann ist und wissen sollte, wie ein Geschlechtsgenosse tickt. Figaro kommt passenderweise gerade vorbei. Er trieft nur so von Ironie, wenn er über seinen Herrn und dessen Absichten spricht. Und natürlich hat er einen Plan.
Für den Hochzeitstag, der bereits auf morgen festgesetzt ist, sollen dem Grafen zwei Fallen gestellt werden, die ihn so in Verlegenheit bringen, dass er die Vermählung der Susanna nicht länger verhindern kann.
Einerseits wird Figaro ihm über Don Basilio ein Kärtchen zuspielen, das so zu verstehen ist, dass die Grafin sich im Trubel der Hochzeitsfeier abends mit einem Verehrer im Garten zu einem Stelldichein verabredet hat. Dieses Billet wird die Eifersucht des Grafen anstacheln, er wird den vermeintlichen Liebhaber seiner Frau stellen und töten wollen.
Andererseits wird Susanna ihm zu verstehen geben, dass sie nun bereit sei, seinen Avancen nachzugeben und ihn früher an diesem Abend im Garten erwarte. Kurz vor der Hochzeit kann er also doch noch den Figaro ausstechen. Lust und Zorn sind also als Lockmittel für ihn vorgesehen.
Aber wenn er dann kommt, um Susanna zu verführen, wen wird er in Wirklichkeit treffen? Den Cherubino, verkleidetet als Susanna! Dann wird die Falle zuschnappen. Die Gräfin wird hereinplatzen und ihren Gatten in flagranti ertappen beim Tête-à-Tête mit einem jungen Mann. Peinlicher geht es nicht mehr. Der Graf wird bis auf die Knochen blamiert und mit allem einverstanden sein.
Hm, hm, ob das riskante Spiel wohl gut gehen kann? Die Damen sind sich unsicher und beraten. Der Graf ist jähzornig – was, wenn es Mord und Totschlag gibt? Und hat man eigentlich genug Zeit, alles gründlich vorzubereiten?
Doch ja, Zeit ist genug. Der Graf vergnügt sich gerade auf der Jagd und wird erst in einigen Stunden zurück erwartet. Cherubino ist noch nicht abgereist, versteckt sich irgendwo im Schloss. Nun gut, so soll es sein!
Figaro verabschiedet sich, um Cherubino zu suchen und zur Gräfin zu schicken, wo dieser schon mal probeweise als Susanna verkleidet werden soll. Außerdem wird Figaro dem Basilio das besagte Billet zuspielen.
Der Plan entwickelt sich zunächst wie erwartet. Cherubino kommt herein. Hat er nicht ein melancholisches Lied für die Gräfin geschrieben? Ja, hat er. Das soll er nun vortragen. Beeinflussbar und verliebt, wie er ist, fällt es Susanna und der Gräfin leicht, ihn zum Mitmachen bei Figaros Plan zu überreden. Susanna beginnt, den zierlichen Jungen auf seine weiblichen Qualitäten hin zu inspizieren, immer wieder ist sie überrascht, wie gut das gehen, wie hübsch dieses „Mädchen“ werden wird. Eifersüchtig stellt sie fest, dass Cherubinos Arme sogar weicher und weißer sind als ihre eigenen.
Die Gräfin findet derweil sein Offizierspatent. Doch auf dem wichtigen Dokument, mit dem der Arme zum Offizier ernannt wird, fehlt das Siegel. Somit ist es ungültig.
Die beiden Frauen necken den von ihrer Nähe berauschten Cherubino, zupfen an ihm herum, setzen ihm ein Häubchen auf, schmücken ihn mit einem Bändchen. Lassen ihn hin- und hergehen, sich drehen und den Blick senken. Das Potenzial ist verblüffend. Cherubino wirkt weder tuntig noch burschikos, er wird als Mädchen genauso zum Verlieben sein wie als Junge. So reden und flirten die Drei und vertändeln die Zeit. Susanna wird immer wieder in ein anderes Zimmer geschickt, um etwas zu holen und es an Cherubino auszuprobieren.
Gerade als die Gräfin Cherubino ganz nahe kommt, um ihm mit ihrem Taschentuch die Tränen abzutupfen, die ihm, von seinen Gefühlen nun völlig überwältigt, über die Wangen laufen, klopft es an die Tür.
Um Gottes Willen! Der Graf! Früher als erwartet kam er von der Jagd zurück. Unverzüglich steckte ihm Basilio das verräterische Billet zu. Aber anders als von Figaro geplant, konnte der Herr es nicht abwarten, seine Frau morgen abend auf frischer Tat zu ertappen – er will sie jetzt sofort zur Rede stellen und stürmt zur Tür ihrer Gemächer. Doch Susanna hat diese Tür zum Glück abgesperrt. Nun steht der wütende Ehemann davor, klopft immer heftiger und verlangt aufgebracht Einlass.
Was soll man nur tun? Panisch eilt die Gräfin hin und her. Schließlich flieht der Page in eine Ankleide und verschließt die Tür von innen. Nahezu völlig aufgelöst öffnet die Gräfin ihrem Mann, der natürlich mitbekommen hat, dass etwas nicht stimmt. Misstrauisch geht er im Zimmer auf und ab und hört ihren konfusen Erklärungen zu. Das alles überzeugt ihn nicht im Geringsten! Aber eigentlich ist er ja gekommen, seine Gattin mit dem verfänglichen Billet zu konfrontieren. Er zieht es nun heraus. Und das? Hah?! Wie erklären Sie das, Madame?
Der dramatische Moment wird unterbrochen, weil Cherubino in der engen Ankleide mit großem Gerumpel einen Tisch umstößt.
Der Graf will wissen, wer da in der Ankleide ist. Susanna sei dort und ziehe sich um. Blöd nur, das die Gräfin erst vorhin behauptet hat, Susanna sei auf ihr Zimmer gegangen. Nun wird der Graf richtig misstrauisch. Die Tür zur Ankleide soll geöffnet werden! Auf der Stelle!! Die Gräfin weigert sich, wird immer kopfloser und verwickelt sich in Widersprüche. Ihrem Gatten reicht es. Wenn die Tür nicht freiwillig geöffnet wird, dann will er Werkzeug holen und sie aufbrechen. Seine Frau kommt mit und die Tür zu ihren Gemächern wird abgesperrt! Der aufgebrachte Ehemann bemerkt nicht, dass Susanna aus dem benachbarten Zimmer zurückgekehrt ist. Mit einer aggressiv übertriebenen Höflichkeitsgeste fordert er die Gräfin auf ihre Gemächer nun zu verlassen, folgt ihr und schließt ab.
Kaum hat sich die Tür geschlossen, huscht Susanna zur Ankleide und ruft Cherubino zu, dass die Luft rein ist. Der stürzt völlig verschreckt aus seinem Versteck. Was soll er tun? Wohin soll er fliehen? Die Gräfin wird durch ihn blamiert und der Graf wird ihn töten.
Er rafft seine Sachen zusammen, hetzt zum Fenster und ist im Begriff zu springen. „Nein!“ ruft Susanna, „das ist doch viel zu hoch!“ Aber Cherubino ist nicht mehr aufzuhalten: „Lass mich! Für sie würd’ ich sogar ins Feuer springen!“ Ruft’s und springt hinaus. Hoppla!
Das war knapp, Susanna hat gerade noch Zeit, sich in der Ankleide einzuschließen. Schon kommt der Graf mit Werkzeug zurück, im Schlepptau die völlig aufgelöste Gräfin. Figaros naiver Plan hat sich gegen sie gewendet. Nicht der Graf wird mit einem als Frau verkleideten Cherubino erwischt, sondern sie. Welche Schande!
Als der Graf sich nun mit dem Werkzeug an der Tür zu schaffen macht, fällt ihm die Gräfin in den Arm. Bitte nicht! Sie will alles erklären und stottert herum. Ihr Gatte will keine Erklärungen, er will wissen, wer da drin ist. Ein Knabe! Ein Knabe? – Ja, Cherubino. Cherubino? Der Kerl klebt ja wie Dreck am Stiefel. Er soll sofort herauskommen! – Ja, ja, aber bittebitte nicht wundern, er … Nun? – Er trägt keine Jacke … Keine Jacke? – Seine Arme sind nackt … Sind nackt? – Er ist als Mädchen verkleidet … Als was? Oh, Schande! Er soll auf der Stelle sterben!! Nein, bitte! Es ist ja alles ganz harmlos!
Nun, beim besten Willen – harmlos hört sich das nicht gerade an. Der Graf will nichts mehr hören. Her mit dem Schlüssel, oder muss er noch die Tür aufbrechen? Schluchzend reicht seine Frau ihm den Schlüssel, er sperrt auf und hinaus tritt – Susanna.
Damit hat nun niemand gerechnet, Graf und Gräfin sind gleichermaßen überrascht. Aber während die Gräfin sich schnell wieder fängt und mit Hilfe von Susanna den äußerst bizarren Ereignissen eine unglaubwürdige Erklärung gibt, ist ihr Gatte geistig mindestens ebenso tapsig wie körperlich. Er kann es einfach nicht begreifen, durchsucht noch mal zur Sicherheit die Ankleide, lässt sich dann aber einreden, das Ganze sei lediglich ein Test gewesen um herauszufinden, ob er seiner Frau vertraut. Unter der Last seines schlechten Gewissens bricht er zusammen: Bitte Rosina, verzeih’! Nein, niemals, unverzeihlich ist dieser böse Verdacht! Bitte Susanna, hilf’! Nein, niemals, unverzeihlich ist dieser böse Verdacht! Der Graf bittet und bettelt, beteuert seine Liebe, bereut, schwört, verspricht Besserung. Doch seine Frau wendet sich ab. Mag sein, dass es mal Liebe war, aber davon ist nur noch grausam schlechtes Betragen geblieben, ein Betragen das sie zur Verzweiflung treibt.
Er bereut erneut, schwört, verspricht. Susanna lässt sich zuerst erweichen, wo er doch nun wirklich Reue zeigt. Nein, es ist unverzeihlich! So geht es noch ein paar Mal hin und her, bis auch die Gräfin nachgibt. Ach ja, im Streit mit den Männern verlieren am Ende immer die Frauen. Sie drehen sich und wenden sich und kommen doch nicht gut davon.
Figaro tritt ein. Erneut hat er die Bauersleute zusammengetrommelt, die jetzt draußen darauf warten, dass der Graf die morgige Hochzeit offiziell verkündet. Aber wie gewohnt windet sich Almaviva und sucht nach Ausflüchten. Zu seinem Glück fällt ihm ein, dass er ja den Figaro befragen könnte zu dem Briefchen, das dieser Don Basilio zugesteckt hatte, wodurch das ganze Eifersuchtsdrama überhaupt erst ausgelöst wurde. Aber Figaro ist nicht eingeweiht, er weiß nicht, dass die Frauen dem Grafen gerade eben die ganze Intrige als Scherz verkauft haben. Deshalb streitet er erst mal ab, irgendetwas über ein Briefchen zu wissen. Der Graf bohrt nach, die Frauen geben Zeichen, aber Figaro versteht immer noch nicht und streitet alles ab. Mit der Zeit merkt er aber doch, dass irgendwas komisch ist und gesteht unter der Bedingung, dass der Graf jetzt aber endlich die Hochzeit verkündet. Was nun, Almaviva? Der Graf brummelt vor sich hin: verflucht! Wo bleibt Marcellina?

Aber diesmal rettet ihn nicht Marcellina sondern Antonio der Gärtner und Vater von Barbarina. Der ist stinksauer, weil jemand ihm seine schönen Nelken zertrampelt hat. Jemand, der eben aus dem Fester dieses Raumes gesprungen ist. Oh, oh, das ist gar nicht gut! Susanna, die Gräfin und Figaro müssen eingreifen. Ach ja, der Herr Gärtner, hat heute morgen wohl sein erstes Fläschchen Wein schon vor dem Frühstück getrunken und sieht Gespenster. Aber der Graf will sich nun gerade nicht ablenken lassen, zu interessant ist diese Geschichte. Vom Balkon? Vom Balkon! In den Garten? In den Garten! Und … nun … wer war es?
Das hat Antonio leider nicht sehen können. Figaro glaubt, dass in dieser Lage Verwirrung die beste Strategie ist, tritt vor und behauptet frech, er selbst sei gesprungen. Er nun wieder? Weder der Graf noch der Gärtner wollen dies glauben, und Antonio bemerkt nicht zu Unrecht, dass Figaro dann aber in sehr kurzer Zeit viel dicker und größer geworden sein müsse. Nun, kontert Figaro, beim Springen mache man sich halt schlank und der heftige Aufprall am Boden könne auch zu einer vorübergehenden körperlichen Verkürzung führen.
Doch diese haarsträubende Geschichte will Antonio nicht glauben, schließlich ist er ja nicht auf den Kopf gefallen. Nein, die betreffende Person sah eher aus wie … Ja? … also am ehesten ähnelte sie noch dem … Ja?! Nun?! … dem Pagen. Was? Cherubino?! Doch Figaro bleibt bei seiner Version. Der Graf ist sichtlich ermattet und geistig etwas abgespannt. Aber er möchte doch noch wissen, warum zum Teufel Figaro das denn hätte tun sollen? Ganz einfach: die Sehnsucht hatte ihn hergeführt, er wollte nur Susannas liebes Gesichtchen sehen. Da hatte es plötzlich heftig geklopft, es hatte die zornige Stimme seines Herrn vernommen. Seine Sünden waren ihm eingefallen, das Briefchen, der freche Scherz. Er hatte es plötzlich mit der Angst bekommen und deshalb …
Ach ja? Antonio glaubt diesem Kerl kein Wort. Dann gehöre ihm ja wohl auch dieses Papier hier, das habe er nämlich beim Sprung verloren. Triumphierend zückt er Cherubinos Offizierspatent. So Figaro, nimm das! Aus dieser Nummer kommst du nicht mehr heil heraus! Figaro wird vage. Nun, er habe ja so viele Papiere, da müsse er erst mal … Was? Antonio wird immer wütender und fuchtelt dem Figaro mit dem Papier vor dem Gesicht herum. Bevor die Situation eskaliert nimmt der Graf das Dokument an sich. Antonio darf gehen.
Also, nun mal ganz in Ruhe, Figaro: was hat es mit diesem Papier auf sich, wie erklärt er das? Doch Figaro hat längst erspäht, dass es sich um Cherubinos Patent handelt. Ganz souverän erklärt er, ja, das Patent, das habe der Ex-Page ihm gegeben. Und warum? Na, weil das Sigel des Grafen darauf fehle! Und ohne Sigel habe die Ernennung zum Offizier ja gar keine Gültigkeit, oder?
Der Graf gibt auf, die ganze Geschichte ist einfach zu undurchschaubar.
Gewinnt Figaro jetzt? Nein! Die Türen öffnen sich und herein treten Marcellina, Basilio und Bartolo. Marcellina, die Verbündete, auf die der Graf gewartet hat, die Einzige, die ihn jetzt noch retten kann. Noch immer kann Figaros Hochzeit verhindert werden.
Es läuft wie gewünscht. Marcellina bezichtigt Figaro, ihr gegen Geld ein Eheversprechen gegeben zu haben, das er nun zu brechen im Begriff sei. Figaro kann es gar nicht bestreiten, denn Bartolo und Basilio dienen sehr gerne als Zeugen.
Der Graf wird seriös. Ruhe bitte, das ist eine ernste Angelegenheit, die sorgfältig untersucht werden muss. Als Erstes soll mal ein Jurist den Vertrag prüfen. Geheiratet wird jetzt jedenfalls nicht.
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Bildnachweis:
Titelbild: Alexandre Fragonard, Toilette de Chérubin, 1827