In den letzten Tagen ist ein Krieg ausgebrochen zwischen privaten Aktienanlegern („YOLOs“, Abürzung für „You Only Live Once“), die – organisiert über das Subreddit „WallStreeBets“ – auf das Steigen von Aktienkursen bestimmter Firmen setzen, und professionellen Anlegern, vornehmlich einigen Hedgefonds („Shorties“, von „short gehen“ = „auf fallende Kurse setzen“), die auf das Sinken eben dieser Aktienkurse gewettet haben.

Angefeuert unter anderem von einem kryptischen Tweet Elon Musks („Gamestonk!!“) ist es der Horde der YOLOs tatsächlich gelungen, einen solchen Hedgefond faktisch in die Knie zu zwingen. Melvin Capital war gezwungen, selbst Aktien der eher unbedeutenden Firma GameStop zu kaufen, deren Aktie sie vorher leer verkauft hatten, um Verluste zu begrenzen.
Vereinfacht gesagt verkaufen Shorties Aktien, die sie noch nicht besitzen (oder nur geliehen haben). Sie wetten darauf, dass der Kurs der Aktie irgendwann vor dem zukünftigen Liefer- oder Rückgabetermin deutlich unter dem Preis liegen wird, den sie dafür bekommen. Dann kaufen sie und die Differenz ist ihr Gewinn. Steigt die Aktie aber stattdessen dauerhaft an, machen die Shorties Verlust. Um ihren Verlust zu begrenzen, müssen sie teuer kaufen und pushen den Kurs damit noch weiter.
Melvin Capital wurde so durch die YOLOs an den Rand des Bankrotts gebracht und musste von zwei anderen Hedgefonds kurzfristig gerettet werden.

Wenn du bis vor kurzem noch nie etwas von GameStop oder WallStreetBets gehört hast, dann ist das kein Wunder, denn das Thema ist erst seit dieser Woche so richtig in den Medien. Der Krieg an der Wall Street selbst hat aber schon vor mehreren Monaten begonnen, kurz nach dem Börseneinbruch wegen Corona.
Die Leute, die sich auf WallStreetBets tummeln sind keine Messdiener/innen. Man kann eher den Eindruck gewinnen, dass die gleiche Meute, die vor kurzem noch über die glattpolierten Böden des amerikanischen Kongressgebäudes getrampelt ist, nun das Börsenparkett aufsucht. Es wird munter beleidigt und einige Hedgefond-Manager (bei denen es sich vermutlich auch nicht gerade um Chorknaben handelt) sind angeblich persönlich bedroht bedroht worden und deren Kinder gleich mit.
Dass YOLOs Shorties hassen hat wiederum viel mit Elon Musk zu tun, dem man ja durchaus eine Neigung zu anarchischem Verhalten nachsagen kann (und der auch deshalb für viele YOLOs eine Lichtgestalt ist). Seine Firma, der Elektroautobauer Tesla, gehörte 2020 zu den am heftigsten geshorteten Börsenwerten. Darüber hat der Elon sich sehr geärgert und seit Teslas Kurs ins Astronomische gestiegen ist und viele Shorties schwer gebeutelt zurück gelassen hat, macht er sich gerne lustig über sie. Im letzten Juli hat er mal Männershorts aus rosa Satin vorgestellt, die er ins Verkaufsprogramm nehmen wollte.

Das alles klingt sehr lustig – ist es aber nicht. Denn dadurch wird die Börse in eine erhebliche Unruhe versetzt, was schlecht ist für viele private Anleger, die in Aktien investieren, um etwas für ihre Altersversorgung zu tun.
Wie viele andere dieser kleinen Anleger frage auch ich mich, ob die Zeiten nicht zu risikoreich sind, ob man der Börse nicht besser vorübergehend den Rücken zukehren sollte, bis sich alle wieder ein bisschen eingekriegt haben.
Dabei stellt sich ziemlich schnell die Frage, wovon der Preis einer Aktie denn eigentlich abhängt: Von den Emotionen der YOLOs, der Fundamentalanalyse klassischer Investoren – oder ist es einfach Zufall und die Börse damit ein kompliziertes Glücksspiel?
Auf diese Frage will ich in nächster Zeit eingehen.
Beginnen werde ich mit der These vom „effizienten Markt“, die Eugene F. Fama in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts veröffentlicht hat. Fama vertrat die Ansicht, dass der Aktienmarkt weitgehend ein „effizienter“ Markt ist, das heißt, dass der gegenwärtige Preis einer Aktie Ausdruck aller gegenwärtig verfügbaren Informationen über sie ist. Ausgehend von diesem Modell entwickelte er die These des „Random Walk“, die besagt, dass der von jetzt an nächste Preis der Aktie am besten durch eine Zufallsverteilung beschrieben werden kann. Ganz vereinfacht sagt Fama also, dass Aktienkurse überwiegend Zufall sind.
Famas These ist in der Folge häufig in Zweifel gezogen worden und es gibt vermutlich nur wenige Börsenprofis, die sie in ihrer reinen Form unterschreiben würden. Einige Einwände gegen Fama werde ich vorstellen.
Nach Fama kam lange Zeit nichts wirklich Bedeutendes mehr. Aber dann veröffentlichte der Nobelpreisträger Robert Shiller im September 2019 sein Buch „Narrative Economics“, in dem er behauptet, dass die Aktienpreise nicht von Informationen (also im Wesentlichen von Daten und Fakten), sondern von Narrativen getrieben werden.
Auch dieses Modell möchte ich vorstellen, um zu verstehen, was der Realität des Aktienmarktes am nächsten kommt.
Aber Vorsicht: Hier wird es nicht um Tipps gehen, wie du an der Börse Geld verdienen kannst. Ich bin davon überzeugt, dass der Markt auf Dauer unhintergehbar („irreducible“) ist, das heißt, dass es keine Möglichkeit gibt, mit Aktien dauerhaft und sicher Geld zu verdienen.
Die Posts:
- Gamestonk?
- Komm, wir werden Millionär (1)
- Komm, wir werden Millionär (2)
- Geschichten für Millionäre
Bildquellen:
Grafik „Highest Short-interest Names“ aus The Daily Shot.
Foto „Shorty Short“ – Tesla.
Foto von Elon Musk – Daniel Oberhaus – Selbst fotografiert, https://www.flickr.com/photos/163370954@N08/46339127625/, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77017161
Ein Gedanke zu “Gamestonk?”