Das Miramar ist ein Kloster, das 1276 von Ramon Llull (*um 1232, +1316), dem berühmtesten Philosophen Mallorcas, gegründet wurde.

Die Anlage wurde an einem magischen Ort der Westküste erbaut, etwas nördlich von Valldemossa an der Straße nach Deía. Jacob II., König von Mallorca, stiftete das Kloster für 13 Mönche, die hier arabische Sprachen lernen sollten, um dann nach dem System Llulls die Araber zu missionieren. Lull selbst lehrte hier zunächst. Als aber die zum Kloster gehörige Kirche Trinidad immer mehr Gläubige anlockte, zog der Philosoph sich in eine nahe gelegene Höhle zurück, um in Ruhe seinen Studien nachgehen zu können. Alles in allem lebte er nur zwei oder drei Jahre hier, bevor sein unruhiger Geist ihn weiter trieb.
Auf dem Grund, der damals zu Miramar gehörte, liegt heute noch die Einsiedelei Ermità de la Santíssima Trinitat, die aber erst 1648 gegründet wurde.


Nach Lulls Tod blieb Miramar zwar zunächst im Eigentum der Kirche, wechselte aber häufig den Besitzer und verfiel nach und nach. Der Name Miramar ging verloren und das Anwesen wurde Trinidad genannt. Der Name Trinidad ist eine Würdigung der Philosophie Lulls, dessen Ziel es ja war, die Existenz des christlichen Gottes in seiner Dreifaltigkeit (= Trinidad) zu beweisen. 1872 erwarb der Erzherzog Luis Salvator von Österreich das Anwesen mit seinen baufälligen Überresten. Er gab ihm den Namen Miramar zurück. Von dem früher vierteiligen Gebäudeensemble war lediglich ein Wohngebäude übrig geblieben, das der Erzherzog wieder instandsetzen ließ. Die Kirche Trinidad war verfallen bis auf die linke Seitenkapelle.
Der beeindruckende gothische Bogengang aus dem 13. Jahrhundert, den du auf dem Titelbild dieses Posts siehst, stammt nicht ursprünglich aus Miramar, sondern aus dem Kloster Santa Magdalena in Palma, von wo ihn der Erzherzog herbeischaffen und aufbauen ließ.
Heute findest du im Hauptgebäude unter anderem Illustrationen zu Llulls Philosophie. Er entwickelte eine eigene Form der Logik, die entfernt an moderne Algorithmen erinnert. Sein Ziel war, damit die Überlegenheit des christlichen Glaubens unwiderlegbar zu beweisen.
Mit den Zeichnungen und beweglichen Beweistafeln seiner Logik bereiste er mehrmals arabische Länder. Er war ein profunder Kenner des Arabischen und kannte die aristotelische Logik, die etwa hundert Jahre zuvor über die arabische Welt zurück nach Europa gekommen war.

Diese klassische Logik, die noch heute die Grundlage unseres modernen naturwissenschaftlichen Denkens und sogar unseres Alltagslebens bildet, beruht im Kern auf ganz wenigen Annahmen, die jeder, der über einen gesunden Menschenverstand verfügt, akzeptieren wird:
(1) Jede Tatsachenbehauptung ist entweder wahr oder falsch (etwas Drittes gibt es nicht);
(2) Eine Tatsachenbehauptung kann nicht zugleich wahr und falsch sein (das wäre ein Widerspruch).
Die Tragik Llulls liegt darin, dass er zu viel Vertrauen in sein eigenes System hatte, mit dem er sich, anders als Aristoteles, nicht auf die Wirklichkeit bezog, sondern auf Gott (ein Ideal).
Seine persönliche Lebensgeschichte zeigt, dass Ideale nicht beweisbar sind:


Im Jahr 1314 begab er sich im Auftrag des spanischen Königs auf eine Reise nach Tunis. Er versuchte, die dort ansässigen Moslems mit Hilfe seiner Beweistafeln zum christlichen Glauben zu bekehren. Das Ergebnis dieser Mission im Namen der Logik war enttäuschend: In der Stadt Bougie steinigte ihn eine aufgebrachte Menge und er musste Nordafrika fluchtartig verlassen.
Den Folgen seiner Verletzungen ist er dann auf der Rückfahrt nach Mallorca erlegen.
Ganz in der Nähe von Miramar wurde ihm eine Kapelle geweiht, deren Grundstein aus Bougie stammt.